d.day - keine nacht für niemand

Samstag, 24. April 2010

Do, 22.4.10 (Sa, 24.4.10, 1:19): Weiter im Text

Den ganzen Tag weiter an den laufenden Brotjobs. Durch den Lebensart-Dschungel gekämpft. Dann Anzeigen- und Web-Layout. Erst Abends Lockerung der selbst angelegten Fessel. Ein Gefühl von erleichterter Erschöpfung, das sich aber sofort in weiteren Eifer ummünzt. Bis spät nachts versucht, das Programm Adobe Dreamweaver zu erforschen. Dabei die Zeit vergessen und in die Verzettelung geraten. Dürre.

Donnerstag, 22. April 2010

Mi, 21.4.10 (Do, 22.4.10, 4:23): Dichter als dicht

Auwei, schon wieder früher als morgen und die Flaschen leerbegütert. Dichter als dicht wie all die Nächte, angetrieben von Substanzen, die die Substrate erst ermöglichen.

Mit Programmen gekämpft, mit Layouts und schließlich mit den Lebensart-Texten für die Mai-Ausgabe. Der April ist nahe seinem Ende, das ich nicht will, aber muss. Wie jeden Monatszyklus.

Derweil installiert Lilly einen hoch interessanten Blog, in dem sie ihre Lektüre von Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" protokolliert. Eine Art Lesetagebuch anhand eines Großtextes. Da will ich mitmachen. Erste Gedanken zum Begriff Eigenschaft, dem der des "Eigensinns" nicht fehlen darf. Eigensinn als Kategorie bei Brecht, Negt/Kluge - und, wenn auch nicht explizit, bei Goetz.

Ich eigensinne.

Erst jetzt, nach dem Arbeitspensum, das sich wieder endlos erstreckte. Damit dicht keine Kraft mehr zum Dichten. Wenngleich es auf dem Fahrrad hechelnd durch die schon wieder winterliche Nacht an Ampelstopps zu gedanklichen Verdichtungen in Versform kam.

Es kam zu Eigenschaft.

Und es kamen Korken in den Müll, nachdem sie sich in Flaschen befunden hatten. (Sie wurden entzwängt.)

Und es kam zu einer Duschung. Die Haare hernach irrsinnig im Spiegel. Irrlichternd ich: Vor dem Haus, auf die Straße tretend eine seltsame, zu seltene Figur.

Der Dichter indes spricht (gerade mal) nicht.

Di, 20.4.10 (Mi, 21.4.10, 5:16): Dichtor

Noch schlimmer fingernd als Goetz' "Bösor, Höllor und Ernstor" ist natürlich das Jute-statt-Plastik-Geschöpf Dichtor, wie am gestrigen Film-Dirigat mal wieder zu sehen ist. Das di.gi.arium nachtgeistert, ist (arbeitszeitlich gelegentlich ausuferndes) Anhängsel des Arbeitstages, daher oft schräger als schräg.

Egal: Nach bis Nachmittag Schlaf weiter in den Texten, den Layouts, die vertretungsweise (weil daheimgeblieben und heimgesucht) für in Folge der vulkanischen Aschewolke urlaubsrückflugverhinderter Kollegen zu machen sind.

Der Dichtor wird dabei viel kleiner als er wäre. Gebrauchstext, das zeitungene, zeitzüngelnde Raunen breitet sich am Bildschirm. Und die Nacht wird zum Tag.

Ganz allmählich, dämmernd, hellhörig.

Dienstag, 20. April 2010

Mo, 19.4.10 (Di, 20.4.10, 5:16): clockwork asche

(für lilly)

dreimal schlägt es es-dur,
die asche rührt uns
dirigierend geistlich,
dreimal war ich glöckner.



ach, glaube meiner zauberflöte,
wenn nicht mehr mir, so laubend
ihrer ouvertüre,
dem fugato, dem ich ausgenommen rinne.

und entrinne,
wenn ich's wende, wünsche:
das diesseits ist die lüge,
jenseits findest du mich unverwandt.

du siehst mich, wo
ich ekstasiere,
bin noch hier und da das
winkewunderkind.

doch nur für dich
sagt dieser blinde text,
mein (verstockter) hirte,
was die schafe bellen:

ein jedes ist an meiner hand,
auf deichen bin ich anverwandt
dem grasen, wo du
friedlich wirst mich finden.

So, 18.4.10 (Mo, 19.4.10, 13:13): Koketter Kokon

Nicht aus dem Kokon, nur ich, um gegen Mittag einen Meck-Pomm-Döner, zweimal zum Mitnehmen, zu holen, da es aber keine Pommes gibt in Vorpommern gerade, die unübliche fleischliche Ration und einmal Falaffel mit viel Käse. Die Plastikgabeln des Cam-ping-Menüs. Dann weiter im Film, bis die Projektoren uns heißlaufen (Laptop auf den Knien als Heizquelle im doch noch nicht warmen Frühling, der durchs offene Fenster motorradtreffend röhrt, nacktfüßig gegenan fächelnd). Gegen Spätnachmittagfrühabend (man kann das lichtmäßig sommerzeitlich nicht auseinanderhalten) in beiderseitige Leseverhaftung, Nietzsche versus Goetz. Ein schönes Paar, dieses wie jenes. Paarung des Denkens. Später weiter durchs Büro der "Capitol AG". Und zur Nacht die Fortsetzung der nicht fortsetzbaren "Unendlichen Geschichte". Auf in die Träume, gepresst wie in einem Herbarium zwischen zwei Buchseitenwänden. (Die schon geahnte Last der noch von fern drohenden Abreise.)

Montag, 19. April 2010

Sa, 17.4.10 (Sa, 17.4.10, 21:56): Savonnette

Lilly ist in der Oper, Wagner, "Fliegender Holländer". Für mich hätt's wider Erwarten auch noch eine Karte gegeben, aber bin Jackett-los in G. und viel zu zerzaust. Traue mich so nicht ins Opernhaus. Also Zeit, di.gi.arium nachzutragen. Vorher noch Versorgungsgefühl, weil ich zum Einkaufen gehe, mit riesiger Ikea-Tüte voller leerer Wasserflaschen, 8,66 Euro Pfand. Und zurück mit Leckereien.

Mittags Kauf der kleinen Taschenuhrsammlung, zwei von zweiundsechzig. Beobachte Lillys Hände, wie sie auf der Bank nebenan sitzend mit zärtlicher Sorgfalt das Gerätchen auspackt und der "Fingerkuppenseligkeit" beim Aufklappen der Savonnette nachspürt. Die Wunder der Wörter: Savonnette! Ein Wortklang, der auf der Zunge und in der Seele zergeht, den man vor sich hin flüstern kann, wie jetzt die Zeit in der Tasche getragene ist. Die Ernsthaftigkeit, die diesem zwar replizierten und massenhaft produzierten Gegenstand innewohnt. Ein Konnex zum Retro-Rekurs auf die einstmalige Existenz des Originals. Abbild des Abbildes, zeitenverschränkt. Konnotatuniversum. Kurz: Savonnette.

Weiter ins Wohnzimmer des Buchladens, an dem wir nie vorbeikommen. Stöbern, Blättern, Schauen, Zeigen, Seitenzauber. Jane Austen-Sammlung vervollständigt: "Mansfield Park", was wir später gucken. Und Lilly zieht den Goetz aus dem Regal: "loslabern". Klasse blaues Bändchen (in der Vieldeutigkeit dieses Begriffs, Frühling lässt sein ..., Titanic usw.).

Dann rasch heim, in den Camping-Kokon, um die Schätze zu beäugen. Spätabends noch "Die Geisha". Gespräch über Kulturen, das anders Sein als Objekt des Interesses, der Erforschung und Empathie. Bettwärts lese ich noch im Goetz. Nach Monaten, wenn nicht Jahren wieder das Gefühl, lesen zu wollen, ohne dass es dafür einen Anlass geben müsste. Wie lange ich schon nicht mehr Bücher lese (außer mit Lilly wieder), ist mir ganz abhanden gekommen. Jetzt wieder da, plötzlich, vertraut wie eine alte, lange nicht mehr geübte Kulturtechnik. Auch greifbar erinnerlich die Stimmung, in der ich war, als ich während der Lernerei fürs Diplom Goetz las (damals "Krieg"). Mache Eselsohren in die Seiten, auf denen was Aufzubewahrendes steht. Z.B. dies: "zu viel Ego, zu wenig Egal" - die Gegenposition zum di.gi.arium und doch recht nah an dessen Ansatz. Und einfach als Zitat buchenswert.

Samstag, 17. April 2010

Fr, 16.4.10 (Sa, 17.4.10, 21:30): Taschenuhr

Zweiter Tag in G. Hier bin ich immer weit weg von den Kieler Arbeitszusammenhängen, mehr als Urlaub - auch vom di.gi.arium. Ein Wochenende anders aus der Welt fallen, in Lillys Welt. Bin nicht einfach ögyr, sondern Lillys ögyr. Lausche ihr, ihren Geschichten und Gedanken. Und nehme teil, innig, versunken, an ihrer spontanen Begeisterungsfähigkeit. Bei allem ist sie immer ganz dabei, unverzettelt, nie so fahrig wie ich. Sie entdeckt das Retrovergnügen von Spielzeugautomaten, wo man 20 Cent einwirft, dann einen schwarzen Knopf dreht und unten fällt ein Überraschungskügelchen heraus. Schließlich sogar ein blau-silberner Ring. Wie sie den freudig hüpfend ansteckt ...

Nachmittagsvorstellung im Kino, wir ganz allein im Saal. Eiskonfekt und "Dorian Gray". Nicht nur wegen Oscar Wilde fasst uns das an. Einfach ins Kino ist nicht, da entfalten sich Welt, Verwerfungen, Drama von tragödischem Ausmaß. Man könnte das tiefer hängen. Nicht mit Lilly. Ihre Tränen, das steckt an. Nah dran an Enormem, Weitreichendem. Erst später verflüchtigt sich das, weiteres mitgebrachtes Filmprogramm auf dem Laptop.

Vorher aber entdeckt sie im Tabakpresseladen die Reihe "Taschenuhren-Sammlung", wovon es schon über 60 Hefte gibt, jeweils mit einer Replikation einer historischen Taschenuhr. Ästhetische Kleinodien, auch wenn sie nur "nachgemacht" sind. Wichtig ist die Chiffre, die Anmutung, der Hauch. Noch mag sie’s nicht mitnehmen, recherchiert lieber erst im Netz, macht sich kundig und versinkt wieder mit dieser Begeisterung in solcher neuen Sphäre. Entschluss: morgen eine Taschenuhr, zur Probe.

Sie sagt: "Zeit bei sich tragen." Mit dem Gedanken relativ früh und beseelt ins Bett.

Do, 15.4.10 (Sa, 17.4.10, 21:10): Reise

Bis morgens an dem Videopoem gebastelt, insgesamt fast 10 Stunden. Erst mittags für paar Stunden ins Bett, dann sehn- und schlafsüchtig in den letztmöglichen Zug nach G. Fahren, fahren, umsteigen. Fahren, fahren, umsteigen ... und dabei unausgesetzt dem Einfall der Dämmerung und schließlich der Dunkelheit zusehen. Kontemplativ. Selbst dämmernd. Die unaufschreibbare Poesie des Reisens, der Ortswechsel. Unterwegs. Abends spät endlich bei Lilly. Vertrautes Zimmer. Wieder in der gemütlichen Ecke. "Stromberg" schauen. Und neben der Humorspur davon beide seltsam berührt, mitleidig und fremdschämend.

Donnerstag, 15. April 2010

Mi, 14.4.10 (Do, 15.4.10, 7:18): bug | wund

der bug bleibt wund,
das heck, das herz beweglich.
und gesund wir anhalter
versunkener provinz im osten.
die zarte geste der DNA,
die gäste des fallens
und steigens
im fall der phalle.
die krähen im nest,
flügelnd heimkehrende.
meine stimme auf den gleisen,
die gestellten weichen:
tragik der häuslichkeit,
überdacht.
und noch sind wir alldieweil
zwischen den zwischenräumen
der vers, der unbekannte
kant, die cunt.

Mittwoch, 14. April 2010

Di, 13.4.10 (Mi, 14.4.10, 4:18): lies lüge

Sprachtheorie mit Anekdote: In der siebenteiligen Propaganda-Doku "Why We Fight" (Frank Capra, USA 1942-1945), Lehr- und Motivationsmaterial für US-Soldaten, um gegen Nazi-Deutschland und Japan in den Krieg zu ziehen, fällt mir ein Trickbild auf: Man sieht einen Radiomast, einen nazi-deutschen, der Wellen aussendet, zwischen denen "LIES - LIES - LIES" steht. Gemeint sind natürlich die Lügen (lies) der Nazi-Propaganda, aber ich lese intuitiv das gleichlautende deutsche Wort "Lies!", sprich die Aufforderung zu lesen.

Selbabendlich in der "Unendlichen Geschichte" das Märchenbild vom Untergang Phantasiéns dergestalt, dass seine Geschöpfe in der "Wirklichkeit" zu Lügen werden. Michael Endes Roman ist erzähltheoretisch ohnehin hoch interessant, einer seiner "Coups" ist, dass das Erzählte, die Fiktion verschwindet, zur Lüge wird, wenn man sie mit dem Maß des Realen misst (mal so ins Grobe formuliert, nicht ganz zutreffend).

Für das hiesige di.gi.arium ist das höchst bedenkenswert. Es ist ja einerseits dokumentarisch, andererseits darin immer die Fiktion, der Fake des Dokuments. Schreiben als Lüge, indem das Lesen des Geschriebenen es zur Lüge zernichtet, das Dokument als Fiktion - und umgekehrt - entlarvt?

Das muss unbedingt theoretisch, essayistisch durchdacht werden. Bestimmender Gedanke heute. Erstmal, sozusagen das Dokument fiktionalisierend, schneide ich aus paar Einstellungen aus "Why We Fight" (Teil 3 und 4) eine kleine Collage zusammen:



Eine Vorstudie zu einem Essay-Film, der "Why We Write" heißen könnte. Erstmal nur so eine meiner abgedrehten Ideen, aber auch aus poetologischen Gründen des hiesigen Unterfangens "TEXT über TEXT"-mäßig zu verfolgen. (Der Fallschirm ist schon aufgespannt, mit dem ich aus dem abstürzenden Text aussteige ...)

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