Montag, 19. Juli 2010

So, 18.7.10 (Mo, 19.7.10, 7:26): Descartes 2.0: Ich blogge, also bin ich!

Die Netznische, in die man postet - und die erweiterte, interessierte, ja, liebende Nische der Freunde von damals. Nachmittags los nach Möltenort, wo G.N. (Hannover) und später auch T.H. (Zürich) urlaubsbedingt weilen. Schon im Bus dahin supersentimental entgegenfiebernd dem Rendezvous mit den Kalliopeiden ("Kalliope" hieß damals, vor mehr als 25 Jahren, unsere gemeinsam gemachte literarische Schülerzeitschrift an der Heinrich-Heine-Schule Heikendorf, Gymnasium des Kreises Plön, darin auch meine ersten Frühwerkgedichte).

Umarmungen. Der (immer noch vertraute) Geruch der Freunde. Ich bin den Tränen nah.

Mit G.N. im Röhrskrog, zwei Milchkaffee plus Glas Leitungswasser. Bäume, Gespräche. Wie wir uns nur kurz verheddern im quasi "Mitzuteilenden" über die jeweils Lebens- und Liebesumstände, dann aber an den Themen dran sind, die Bezüge zur "Flugschrift" haben, zu diesem ewig dran Sein, das ist unsere Lebensaufgabe, an der "immer ist Situation" von letztbegründenden philosophischen Fragen. Wie also dies Gespräch der Freunde, die sich lange nicht sahen, sehr lange, quasi an dem WG-Küchentisch fortgesetzt wird, den wir nunmehr vor fast 20 Jahren in unterschiedliche Richtungen, dennoch gleichgerichtet, verließen. Zum uns "einnorden" brauchen wir nur eine Viertelstunde, dann sind wir wieder mitten drin. Und während wir den Kaffee süffeln und das Leitungswasser ist das so ungemein beglückend - wenigstens für mich. Dass da Menschen sind, die verstehen, intuitiv, präzise, dass man mit ihnen ein Kolleg mal eben veranstaltet.

Ach!

Später T.H., seine Frau und die drei Kinder. Wir sitzen am Strand, teilweise in Strandkörben, die anderen im Sand. Und der "Smalltalk", dieser Modus, ist eben nicht bloß solcher. Ich spüre etwas wie Aufgehobenheit in Nähe. Mag sein, dass nur meine romantische Seele das so deutet. Dennoch später beim Bier diese seltsame Einverstandenheit im Diskurs, selbst in den sich andeutenden Dissenzen. Das Wissen um die gemeinsame Geschichte, das nicht ausgesprochen wird, das vielmehr der Groove ist, der Orgelpunkt.

Nachts um kurz vor 1, als wir nach Dunkelwerdung am Meer scheiden, fährt kein Bus mehr. T.H. fährt mich im Mietwagen nachhause. Weiter Gespräche. Weiter dieser Austausch, die Blutsbrüderschaft über die Grenzen der Lebenswelten hinaus. Wir sind so, so verschieden - und doch diese von früher Nähe, als wir Texte diskutierten, Sprache ventilierten. Damals, adoleszent, jeweils schwerst und manchmal unglücklich verliebt, gemeinsame Jugend.

Denke an Klavki, der sagte, dass er seine Freunde vererben möchte. Denke überhaupt oft an Klavki und seine Verse.

Hier sitzt, redet und sagt ein Erbe seines eigenen noch nicht angetretenen Erbes.

Nachts, zuhause - "Du setzt dich jetzt also noch an den Schreibtisch?" "Ja!" "Echt?" - an die gestern versäumte Arbeit. Dies hier: Teil 1 der Serie "Kiel bloggt", vermutend, dass das morgen schon gebraucht werden könnte.

--- snip! ---

Jeder Mensch ein Publizist

Kiel bloggt: Die Szenen stellen Kieler Schreiber im Internet vor. Teil 1: Eine kleine Geschichte des Bloggens

"Jeder Mensch ein Künstler", forderte Josef Beuys 1985 und hätte sich wohl kaum gedacht, wie das Internet diesen Appell ein gutes Jahrzehnt später einlöste: Mit der Möglichkeit, sein eigenes Leben, spezielle Interessensgebiete oder politische und weltanschauliche Meinungen ohne großen Aufwand im Internet weltweit zu verbreiten, ist heute jeder Mensch (mit Netzanschluss) auch potenziell ein Publizist. Menschen tippen ins Netz, was sie im Moment bewegt. Live-Sprech, oft ungehobelt und unverblümt direkt, manchmal aber auch literarisch oder journalistisch geformt. Wer mit entsprechenden Keywords googlet, findet rund 100 Kieler, die solche "Blogs" betreiben. Einige davon stellen wir in unserer Serie "Kiel bloggt" vor.

Zwölf Jahre ist es her, dass der Schriftsteller Rainald Goetz seinen "Abfall für alle - Roman eines Jahres" live ins Internet postete, um ihn ein Jahr später auch als umfängliches Buch bei Suhrkamp zu veröffentlichen. Goetz war damit einer der Vorreiter des Blogs. "Blog" ist eine Kurzform des Begriffs "Weblog", was so viel wie Log- oder auch Tagebuch im Netz heißt. Die ersten Online-Tagebücher tauchten Mitte der 90er Jahre auf. Berühmt wurde das im Usenet (einem noch heute existierenden Nutzerforum) verbreitete "Zagreb Diary", in dem der niederländische Journalist Wam Kat über seine Erlebnisse im Bosnienkrieg berichtete. 1999 prägte der Webdesigner Peter Merholz den Begriff "Blog" für die Internet-Tagebücher, die seit Ende des Jahrtausends im Netz immer häufiger wurden.

Zunächst waren Weblogs "Logbücher" von Reisenden im Internet, häufig Journalisten, die auch in den "klassischen" Medien veröffentlichten und die ihre bei Recherchen entdeckten Netzfundstücke als Links protokollierten - eine Art "Netzreiseführer". Suchmaschinen wie Google steckten noch in den Kinderschuhen, und so waren solche Weblogs Sammlungen von interessanten, redaktionell gefilterten Links, um sich in der explosionsartig steigenden Informationsflut des Netzes zurechtzufinden. Jetzt begannen sich auch Literaten für das Netz als "Textabwurfstelle" zu interessieren. 1999 ging der www.tage-bau.de online, in dem (bis heute) mehrere Autoren ihre Texte quasi im Moment des Entstehens veröffentlichten. Ebenfalls 1999 entstand aus einem Treffen von 13 Nachwuchsautoren im Rendsburger Nordkolleg das www.forum-der-13.de, das mit seinen Texten im Netz einen Gegenpol zum traditionellen Literaturbetrieb schaffen wollte. Sie alle bezeichneten sich noch nicht als "Blog", haben mit ihm aber die Form gemein: Der jeweils jüngste Beitrag steht ganz oben, scrollt man herunter, kommt man zu früheren. Der Schriftsteller und exzessive Blogger Alban Nikolai Herbst (http://albannikolaiherbst.twoday.net) hat mit seiner "Kleinen Theorie des literarischen Bloggens" eine der ersten theoretischen Abhandlungen über das (literarische) Bloggen vorgelegt.

Ab 2001 entstanden Blog-Communities oder auch "Blogosphären": Anbieter stellten standardisierte Blog-Software auf Websites wie twoday.net, blogger.com oder podhost.de zur Verfügung, bei denen man sich mit wenigen Mausklicks meist kostenlos anmelden kann, um einen eigenen Blog zu erstellen. Viele langjährige Blogger bevorzugen indes die frei verfügbare Blog-Software WordPress, deren Installation auf der eigenen Website allerdings einige Kenntnisse voraussetzt. Technisch gesehen sind dies "Content Management Systems" (CMS), die Webdesigns (Templates) für eine Blog-Seite vorgeben und auch die gesamte Verwaltung des Blogs übernehmen. Nach Anmeldung kann man einfach losschreiben. Zudem bieten sie eine Kommentarfunktion, so dass der Blogger Rückmeldungen von Lesern auf seine Einträge (Posts) erhalten kann und über "Trackbacks" auch erfährt, wer seine Posts wo zitiert hat. Diese Systeme trugen maßgeblich zur Vernetzung innerhalb der Blogosphäre bei, und mit ihnen entstand das "Social Web" oder auch "Web 2.0".

Inzwischen gibt es mit Facebook, Myspace, YouTube und StudiVZ, um nur einige zu nennen, Weiterentwicklungen der Blogs. Twitter ist dabei nicht nur in aller Munde, sondern auch an allen Tasten, weil man damit in 140 Zeichen wie in einer SMS an alle von überall her und jederzeit online per Handy sein Leben und Wirken ins Netz blasen kann.

In der nächsten Folge: Sebastian Galka veröffentlicht auf www.77jahre.de Briefwechsel seiner Großeltern tagesgenau 77 Jahre nach ihrem Entstehen.

--- snap! ---

Fotocollage dazu:



Eingesandt und Autoreplyer bekommen, dass der betreffende Leib-und-Magen-Redakteur bis 1.8. in Urlaub und also nicht erreichbar ist. Darob irgendwie plötzlich zusammengebrochen, zumal er mir das im vorgestrigen Telefonat nicht mitteilte. Traurig. Man tut, man macht, aber das wird jetzt erstmal wieder in den Redaktionskatakomben verschwinden. Morgen anrufend wird man verwiesen werden auf ein Später, die Rückkunft des betreffenden Ansprechpartnerredakteurs. Zeitung, meine Zeitung, ist manchmal auch ein unergründliches Loch, in dem die Arbeit verschwindet. Ich werde das alles nochmal senden müssen in drei Wochen, &c. pp. Derzeit niemand zuständig.

Und so ist wieder nur dieser Blog, in dem ich das vorveröffentliche, mein Eckermann und meine Gewissheit, dass ich bin. Descartes 2.0.

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