Fortsetzung der Dürre (das Sonett von gestern enthält zu viel Singen und Senkwehen), wäre da nicht das schöne Ritual, dass ich Lilly abends zum Einschlafen über Skype aus "Die unendliche Geschichte" vorlese (am 7-Monats-Tag :-).
Nach Layout-Kleinkram den Tag über, unterbrochen von kurzen Dämmerphasen, nachts vier Stunden lang Rechnungen geschrieben, für Aufträge, die z.T. neun Monate zurückliegen. Buchhalterisch bin ich noch disziplinloser als sonst schon. Jetzt in einem Kraftakt wieder "auf Null".
Gegen Abend gesundet weiter in die Nacht mit Layout der Klavkischen "gelben Hefte" ("In der Zone des Augenblicks"). Selbst verdorrend, aufblühend an diesem Textminiaturenuniversum. Nochmal reingehört in die Lesungen im Literaturtelefon. Die versunkene Stimme des Freundes. Jetzt, nach einem Jahr, kann ich sie wieder einigermaßen "wissenschaftlich", unberührt hören, also ohne Emotionsüberschwang, ohne Tränen. Worauf es jetzt ankommt: Kühles Editieren der hot-spottenden Texte.
Selbst - wie gesagt - noch dürr, wobei dazu manches lyrisch in sich durchrührend. Etwa so:
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tropfende tropen
erster tropischer der frühlingstage,
letzter vers an wiegen - wie ein baum
im wind. die antwort auf die letzte frage,
wie die sich regnet, tränt in schaum und traum.
letzter tag des winters spreizt den raum
für das, was kommt und längst schon ist vergangen.
noch hell, nicht nacht, der nachmittag dem faun
blüht spätwärts dunkel, wo die schaukeln schwangen.
das mädchen mit den kleidern, durchgesichtig
blickverwirrend ihre brust ins helle:
wäre nichts hier mehr noch lebenswichtig
als langsamkeit der schriftverstellten schnelle?
singen wir und senken uns und dichten
zögernder das wort ins noch verzichten!
Den ganzen Tag nicht von der Matratze, außer zur Entleerung eine Schiebetür weiter. Krank. Dämmer. Schlaf, traumlos, schwer. Zwischendurch jeweils halbstündige Wachphasen. Skype mit Lilly, datendurchsatzbegrenzt, weil der O2-Stick muckt. TV geguckt und darüber wieder eingeschlummert. Mit mir ist das di.gi.arium eingeschlummert - für heute.
Morgens von Stuhlgangdrang aufgewacht. Offenbar was eingefangen. Schon gestern angekündigt. Tag darob dürr und vielfach brillensesshaft. Zwischendurch Kleinkram und Großkopfertes in InDesign. Für die üblichen Unverdächtigen.
Abends weiter durchgefallen (für KN) bei Zombies in der Pumpe. Wieder trocken heim. Skype-Flow Lilly. Dateiverwaltung für morgige Abreise nach G. Was alles auf dem Laptop mitzunehmen ist.
A****- und auch sonst löchrig erst jetzt morgens aufs Lager (nicht ins). Ekke Nekkepenn mal wieder kunstmonstrig versunken "in mari Baltico" vorm Balkon.
Den Arbeitstag lang mit E. an der Neuauflage von Klavkis gelben Heften gewerkelt. 16-Seiter plus gelber Umschlag im Reclam-Heft-Design. Fertig sind (in sieben Stunden Arbeit) "Der Wolkenhändler", "Widerlegung des gesunden Menschenverstandes" und "Delirium". Problem, das eigentlich einen mitgebloggten "editorischen Bericht" verlangte: Dass man im Zeitalter, wo Texte im wesentlichen digital vorliegen, kaum noch weiß, welche Datei die "letzter Hand" ist. Bei Klavki zudem das Problem, dass er ein Vielzitierer war, anderer wie eigener Worte. So wiederholt sich manches in unterschiedlichen Textkonvoluten und -varianten, und der Editor muss nun entscheiden, welche Wi(e)der-Holung er als solche editiert, welche er nur als frühere Variante tilgt.
Naja, wozu haben wir Literaturwissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten studiert?
Nachts dann, während ich parallel mit Lilly skype (also auch wieder "das Netz" Text intertextuell vernetzt), im TV die Harald Schmidt Show, wo Rainald Goetz zu Gast ist (wegen seines jüngsten Buches "loslabern"). Sternstunde! Weil Schmidt sich im Interview einen Dreck um den sonstigen Zynismus, den das Mediale immer birgt, schert und mit Goetz wie im Kolleg anlässlich "loslabern", in dem Goetz das Feuilleton 2008 durch den Wolf dreht, über Hettche diskutiert, der eben heute im FAZ-Feuilleton den Internet-Literatur-Diskurs, der u.a. durch Hegemann & Blog hip ist, ventiliert. Wo Hettche versucht, den Ball bewusst flach zu halten, begibt sich der ausgeschlafene Goetz (er hat noch im Backstage der HS-Show ein Nickerchen gemacht) fröhliche-wissenschaft-mäßig ins ganz bewusste Abseits. Auf Schmidts Frage an Goetz "Was ist das, was Hettche da schreibt?" antwortet er kurz und bündig: "Ja, Unsinn!" Aber natürlich ist es nicht Unsinn, weil Goetz ja Sinn daraus macht, dass er diesen Unsinn beobachtet. Es geht um das Verschwinden des Autors im Zitieren. Was an Klavki anschließt. (Und an mich.) Und es geht gegen den Literaturbetrieb, wenn er zu kurz schließt. Hettche freilich nicht - nur irgendwie konservativ bildungsbürgerlich, eben feuilletonistisch - meint Goetz. Die ganze derzeitige Debatte u.a. in der FAZ ist ein Witz, wenn auch ein intelligenter. Und Schmidt und Goetz arbeiten sich daran so sportlich ab, dass man sich freut darüber, dass da kein Publikum mitkommt, das die Debatte nicht mitverfolgt hat.
Und es geht um den Text hinter (oder in) dem Text, das Verschwinden im Text (oder hinter ihm), um daraus so blendwerkend jack-in-the-box-mäßig vorzuschauen, dass es verzwickt dialektisch wird. Hinzu kommt natürlich der Trash-Faktor. Ah, bin angefixt.
Hettche im Netz gelesen und manchesmal d'accord. Der Mann hat mit "NULL" 1999 einen vielautorstimmlichen Netztext fabriziert, lange bevor es Blogs gab. Goetz zur selben Zeit "Abfall für alle", ich ein Jahr später "d.day - keine nacht für niemand". Dennoch bisschen "pissed" von dieser Bemühtheit, dass ja all das überhaupt nicht neu sei, wegen der uralten Intertextualität (mein Lieblingspoetologem) u.a.
Beseelt davon in die Nacht, Pläne für einen ganzen Essay-Band im Kopf. Aus dem natürlich nichts wird: außer als Fragment und Querverweis-Dschungel hier im - hihi! - Blog.
Ruhelos und zugleich mühelos in der Nacht bis zum Morgen. Darminfekt brütend. Im TV laufen früh morgens auf 3sat Dokus über deutsche Auswanderer in Canada und New Zealand - Thementag. Schaue träumend zu. Zu heimatlich zum auswandern, zu ausgewandert, um hier Heimat zu haben. (Ich ist nicht Heimat, gut so.)
Jedenfalls ist das das Wortspiel, das ich dazu notiere. Was ja nichts sagt, als die Worte sagen. Schimäre natürlich.
Tags die Aufträge der hiesigen Auftraggeber. Komme kaum hinterher, nachts doch noch. Wie immer. Deswegen die Fluchtgedanken. Schon pommersche Übersiedlung nach G. wäre ja Auswandern.
Nachmittags ruft Klavkis E. an. Ob man sich auf einen Kaffee treffe? Keine Zeit, aber ja klar. Sie vermeldet, dass sie plant, nach Minneapolis heim zu kommen. Höre mir das an und habe Fern- und Heimweh zugleich. Morgen vielleicht an die "gelben Hefte" - endlich.
Abends wieder KN-Heimarbeit, Lisa Fitz im Metro. Gelangweilt, aber rezensorisch gut gelöst. Es bleibt, Rechnungen zu stellen, Buchhalterei, die mir zuwidert. Muss aber. Sollte heute, wird aber erst morgen. Oder übermorgen ...
Das Verschieben (und damit Verschleiern) der Heimat.
Singe Mississippi-Lieder hinter der Stirn. Ohrrauschen übrigens endlich weg, nicht mehr wahrnehmbar. Gesundung, aber zu träge für Aufbruch.
Der PEN-Club am Stammtisch im "Lammers": Anwesend: C.S., J.F., M.L. und I.CH. Wir ventilieren wort- und ideologemspielerisch alte Zeiten. Und deren Verrauchen längst. M.L. weiß noch die alten Geschichten aus der Hansa48 und deren Nachbarhöfen. Joe's Garage - nicht nur ein Titel eines Zappa-Albums. Oder wie X mit U sich am Hansatresen, wo inzwischen "die Softie-Freunde halb-autonomer Frauen" (C.S.) "straight-edge" nicht trinken (weil die Droge Alkohol auch ein Unterdrückungsinstrument des Kapitals ist - Opium fürs Volk), nachdem sie "containerten" (den Wohlstandsmüll recyclend für den eigenen Lebensunterhalt, solidarische Geste mit PENnern), das jeweils selbige vormachen.
JottEff hat sein Buch über Arbeitsschutz am Arbeitsplatz (immer noch meiner für den Frieden) für irgendsoeinen Arbeitgeberverlag beendet. Kraftakt. Und weil wir immer noch dem ollen Gedanken der Weltrevolution, wenn auch nur und erstmal, vorraussetzungsmäßig im Kleinen des Ichs, anhängen, memorieren wir die anderen Sphären: Versunkene Kulturen wie die einst im Paul Parey Verlag erchienenen über Vögel, Fachwerke für Hobby-Ornithologen mit in ihrer Qualität nie wieder erreichten Zeichnungen des freien Federviehs. J.F. vermeldet, dass der Verlag inzwischen nicht mehr vorhanden sei, C.S. mailt mir nachts unter dem sprechenden Betreff "Fehlbiss", dass es ihn doch noch gibt. Wenn auch nur in anekdotischer Form: "Pleiten, Pech & Pannen ... beim Fangen heißt das Motto beim neuen Angelmagazin 'Fehlbiss'. Hier bleibt garantiert kein Auge trocken. Rutenbrüche, Zungenbrecher, Hak- und Sprechunfälle plus Comedy und vieles mehr. Das neue Angelmagazin 'Fehlbiss' erscheint wie 'Fisch & Fang' im Paul Parey Zeitschriftenverlag und setzt Maßstäbe - was das Strapazieren der Lachmuskeln betrifft. Und zwar sowohl im Heft als auch auf der beiliegenden DVD. Ab 24. Februar am Kiosk!"
Ich hög' mich darüber im Nachtnegligée wie über C.S.'s weitere Entdeckung. Vor Ostern auf Föhr verurlaubt, fiel ihm ein Kindchenschema wieder ein, nämlich der friesische Meermann und Kobold Ekke Nekkepenn. Sagengestalt, die klabautermännischen Schabernack mit nordseeischen Seeleuten treibt und ihre Wurzeln in nordischen Mythologien hat, dort als Gott des Meeres namens "Ægir"“ oder auch "Ögir". Nicht nur die Namensgleichheit mit meinem alter ego ögyr belustigt uns dabei, auch die physiognomische Ähnlichkeit (der ich photoshoppend ein bisschen nachhalf ;-):
Altherrenspäße, die jungenhafte Dynamik entwickeln. Erzähle noch nachts Lilly davon, die wie ich ganz betört ist vom neuen Kosenamen "Ekke Nekkepenn".
Ist nur ein Spiel, aber ein schön verschrobenes. Beseelt heim, Stammtischhymnen singend. Und als Imago den EkkeNekkePENnClub gründend.
Traumprotokoll vom Traum von neulich (27.3.10) anhand gespeichterten iPhone-Sprachmemos nacherzählt:
Ein Zirkelschlussstoff, der die viskose Eigenschaft hat, dass man ihn wie Knetgummi sehr leicht formen kann. Man braucht dazu nicht mal die Hände, es genügt die Kraft der Gedanken. Aus dem Stoff formt sich alles, was man denkt, gleichsam von selbst. Der Stoff erzeugt bei allen, die mit ihm in Berührung kommen, Begeisterung, weil er so universell verwendbar ist. Zunächst werden daraus nur hautnah passende Verpackungen geformt, die sich anders als Geschenkpapier nach dem Öffnen wieder perfekt um den Gegenstand schließen, ihn umfließen, einschließen, sich anschmiegen. Jedoch birgt die reine Formbarkeit durch Gedanken ein chaostheoretisches Problem: Wenn sich Gegenstände mit minimalem energetischen und entropischen Aufwand, nur durch einen Gedanken erzeugen, formen lassen, man also auch keine Form denken kann, die sich nicht stofflich manifestiert, wird alles Stoff, so dass sich die Welt in kürzester Zeit anfüllt, überfüllt mit gedachten Gegenständen. Ein Wucherungsprozess, Verdschungelung. Die Leute tragen ein "Pellet", eine Urperle des Zirkelschlussstoffes als Amulett um den Hals, aus dem dann, weil sie nicht nichts denken können, so viel Welt wird, dass es nichts außer dieser Welt mehr gibt, wodurch diese zirkelschlüssig in sich selbst implodiert, zu einem riesigen, dann wieder amorphen Materieklumpen. Jedoch lässt sich dieses Chaos wiederum dadurch beherrschen, dass man ja auch den Zirkelschluss denken kann, der sich durch den Stoff wiederum in die Nichtung der Materie formt. Rückblende: Bevor der Zirkelschlussstoff entdeckt worden war, hatte sich in einer Bauernhof-WG ein Betrug ereignet. Einer der WG-Bewohner hatte sich mehr Platz verschafft, indem er die Grundrisszeichnung des Kellergeschosses des Gebäudes verändert hatte. Das Gebäude veränderte sich entsprechend des gefälschten Grundrisses. Allerdings war das zunächst nicht wahrnehmbar, weil der Raum sich vom Grundriss aus nach unten kegelartig erweiterte, die z-Achse nicht mehr senkrecht auf der x-y-Ebene stehend, so dass der Keller vom Aufriss her größer war als die darüber liegenden Geschosse. Die Materie verhielt sich nach den neuen Gesetzen des grundrissig zugrunde liegenden Gaukelmaterials. Die Darstellung der Wirklichkeit verzerrte diese. Jedoch die Gefahr der Wucherung des verstofflichten Gedankens, indem das Gleiche an verschiedenen Stellen des durch den Zirkelschlussstoff verzerrten Raumes gedacht wird und diesen verdoppelt, vervielfacht. Beängstigend. Und der alte Satz von Rainald Goetz: "Man muss davon ausgehen, dass der Stein denkt."
Heute mittagsschläfrig wieder so ein Traum in diese Richtung, dass die Erfüllung, Verstofflichung von Gedachtem, Ersehntem, von Wünschen metaphysische Gefahren birgt, das Denken, das Sehnen und Wünschen bedroht. Die Realität bedroht den Traum, der Entwurf den Gegenentwurf, das Entwerfen die Geworfenheit.
Gleichwohl am Tage ein Gefühl von Leere oder Oberflächlichkeit gegenüber solchen Einsichten, die eher Aussichten (oder Ausflüchte) sind. Die Fadheit des Wirklichem gegenüber dem Gedachten. Langes Skype mit Lilly, in dem ich ihr auch fad und wenig gedankensprühend vorkomme - mit Recht. Versiegende Tiefe. Dennoch die Forderung, sich fallen zu lassen. Stehe aufgestanden am Balkonfenster und schaue hinaus. Als sei die Welt da draußen wirklich nur draußen. Zirkelverschlossen, der Schweiger in der Wüste (der ich nicht bin).
((Im TV-Nachmittagsprogramm gestern und heute aufgezeichnet die ersten beiden Teile des TV-Vierteilers von 1968 "Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer" (nach Mark Twain), worin mich die ersten Takte der Titelmelodie zirkelschlüsselnd einnehmen.))
Jahrestage. Man könnte jetzt zitieren, letzte bedeutsame Worte. Die stehen schon in der gebotenen Zart- und Entrücktheit auf www.klavki.de. Ich hatte das ohnehin nicht vor, obwohl er immer ein Faible für so ein intelligentes Pathos hatte. Aber nein, der k.day kassibert sich ohne Zutun in den KN-Artikel von heute:
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Auferstehende Blicke in die Abgründe
Osterkonzert der 48. Deutsch-Skandinavischen Musikwoche in der Rendsburger Christkirche
Rendsburg - Ein vielstimmiges Flüstern geht durch die Reihen des Chores, als komme es aus dem Jenseits, himmlischem oder meeresabgründigem, bevor der Solosopran Fragmente des Chorals "Nearer My Good To Thee" einwirft. Den, so sagt die Legende, habe das Bordorchester als letztes auf der Titanic angestimmt. Hier zitiert ihn Jaakko Mäntyjärvi in seinem "Canticum calamitatis maritimae", einer Art Requiem auf die Opfer der 1994 in den Fluten der Ostsee versunkenen MS Estonia - und das beeindruckendste Stück des Abschlusskonzerts der 48. Deutsch-Skandinavischen Musikwoche am Ostersonntag in der Rendsburger Christkirche.
125 junge Orchstermusiker und Chorsängerinnen aus dem Baltikum trafen sich in der vorösterlichen Woche auf dem Jugendhof Scheersberg, um unter der künstlerischen Leitung von Cornelius Trantow, Halvar Nilssen und Almut Stümke (Chor) sowie Stefan Karpe und Kristoffer Kaas (Orchester) ein umfangreiches, vorwiegend skandinavisch geprägtes Orchester- und Chormusikprogramm einzustudieren. Dass das Ende der Passionszeit und das Osterfest in die Probenphase fiel, hat nicht Methode, ergibt aber einen einleuchtenden roten Faden im vielschichtigen Programm.
Wie Mäntyjärvi, der aus den finsteren Abgründen auch stimmlautmalerisch in die himmlischen Höhen der Auferstehungshoffnung schaut, geht es auch in Jean Sibelius' "5. Sinfonie Es-Dur, op. 82" um eine Art Reise von hüben nach drüben, aus bedrohlich schwankendem, suchenden Sirren der Streicher zu kraftvollen Bläserakkorden, auf die man ein Himmelreich bauen könnte. Klangliche Auferstehungsakte, die das Orchester mit besonderem Ohrenmerk auf expressive Dynamik und Tempi zelebriert. Dabei traut es sich auch, das Schwanengesangsthema im dritten Satz, eines der berühmtesten Motive Sibelius', das vielfach von Pop-Bands zitiert und verarbeitet wurde, entsprechend bodenständig wiederzugeben.
Sibelius' "Fünfte" wird von vielen Interpretatoren als Ringen zwischen Spätromantik und vorsichtig rezipierter Neutönerei verstanden, auch so ein gewagter Blick zwischen Abgrund und lichter Auferstehung. Als ebensolchen Balanceakt könnte man die zeitgenössische skandinavische Chormusik von Egil Hovland und Alf Wold, die hier zu Gehör kommt, wahrnehmen. Der Chor schwelgt dabei ebenso im schönen Klang, wie er die harmonischen Verschränkungen deutlich heraus präpariert. Schon in Edvard Griegs "Våren" (Der Frühling) deutet sich die typisch "nordische" gebrochene Romantik an. Brahms' "Vineta"“ (aus "Drei Gesänge, op. 42") und William Byrds "Missa à 5" bieten gleichsam die Eckpunkte, um die Spannweiten späterer Kompositionen auszumessen. Auf Seiten des Orchesters sind dies das burleske Idyll in Carl Nielsens "Hahnentanz" und Rossinis als spielfreudig krachlederner Gassenhauer zugegebene "Wilhelm Tell-Ouvertüre".
Umso so "zwischentöniger" zwischen den Polen Himmel und Hölle wirkt da Fanny Mendelssohn-Hensels Kantate "Hiob" für Chor und Orchester. "Was ist der Mensch?" fragt darin der umher irrende Prophet mit seinen sprichwörtlichen Botschaften. Und Fanny Hensel scheint wie Sibelius die Frage nach der Musik des Dazwischens zu stellen - nach Bach, mitten in der Romantik, vor dem Impressionismus. Wo kann man sich da verorten, wohin auferstehen?
--- snap! ---
Dies also dem Freunde zugeeignet - heimlich, heimatlich (wohin auf(er)stehend).
Auf dem Weg nach Rendsburg im Zug die Kanalüberquerung mit dem iPhone gefilmt.
Traumempfinden der Bewegung, des Aufsteigens auf Brückenhöhe. Blick hinab, stahlträgergeflügelt. Es bleibt bloßes Dokument, die Augenblickstrunkenheit lässt sich nicht einfangen. Eben nur Blicke.
((Nachts infolge eines Dialogs ohnehin erneute starke Zweifel an dem ganzen hiesigen Unterfangen ...))
Lilly ist bettlägrig, ein Infekt. Überlege kurz, ob ich alles stehen und mich liegen lasse und hinfahre. Mache mir Sorgen. Dann aber doch die Flucht der Entwarnung. Möchte da sein, aber so fern wie eh.
Nach Wendtorf zu den Eltern. So fern wie eh. Ausflug in etwas wie Realität, in Alter und alte Zeit. Mit dem Vater Basteln am neuen Fernseher, wo ein paar Anschlüsse noch nicht stimmen. Wieder so eine Verzettelung. Und dennoch das Helfenmöchten vom frühen Mittag weitergeschleift, wie durch einen Tuner, ein Gerät.
Die Heimat, die ergraut, schläfrig und langsam geworden. Die Auffassung, das Gespür für das Alleinwerden. (Wo setzt man in dem Wort den Wortpunkt?)
Mittagsmahl aus Räucherlachs und Bratkartoffeln. Später Kaffee und der immer noch selbstgebackene Kuchen der Mutter. Nur ein Stück.
In den Sesseln der Gespräche über die statischen status quo die nachmittägliche Müdigkeit. Werde bettlägrig. Dagegenan mit Kaffee und Kaffee. Dann flutscht die träge Zeit. Sie bringen mich nachhause, an die Hörnbrücke. Abschied.
Auf der Brücke Rauchreflex, aber atemlos und atemmüde genug, ihm zu widerstehen. Dämmerung setzt ein, macht das Wasser trübe. Auch das im Auge.
Heim und mit Lilly skypen. Sie ist zu erschöpft vom Infekt, als dass ich mich beruhigen könnte, indem ich ihr vorlese. Abschied in die Nacht.
Will noch arbeiten, werde aber bettlägrig, schon gegen Mitternacht. Schlaf. Morgens aufgewacht, noch dunkel. TV. Idyllen an der amerikanischen Ostküste, Poe-Land, Nantucket. Hummer und Schwarzbären. Und die traurige Geste des Horizonts, wenn er sich dem Himmel zuneigt.