Samstag, 27. Februar 2010

Fr, 26.2.10 (Sa, 27.2.10, 7:59): "wie wolken um die zeiten legt"

Nach Eckernförde durch die Nacht, von Lilly zum Zug gebracht, zum Konzert des ensembles reflexion K in der St. Nicolai Kirche. Darin, als letztes, was ich schwänze, weil ich den Zug zurück noch kriegen will und weil ich es eh kenne, so sehr, dass es mir jetzt suchend in den Textarchiven nicht aus dem Sinn geht, Gerald Eckerts "wie Wolken um die Zeiten legt" (1996/97) nach einem Textfragment von Hölderlin und einem Gedicht von Saskia Reither.

Bestimmt eine halbe Stunde auf den Festplatten gesucht und erstaunt, wie weit das zurückliegt, was ich darüber schon schrieb, kommt es mir doch so nah vor, so wie mindestens letztes Jahr. Es ist jedoch so lange her wie der 7.11.2004, als reflexion K das im KulturForum spielte und ich unter der Überschrift "Mo(nu)mente des Verstummens" wie folgt darüber für KN berichtete (betreffender Ausschnitt):

(...) Das Motiv der Verfolgung durch die offenen Wunden der Vergangenheit findet sich auch in Friedrich Hölderlins letztem, vier Tage vor seinem Tod notierten Vers. "Wie Wolken um die Zeiten legt", dichtete der Umnachtete, befreit von jeglicher Grammatik. Zusammen mit einem Gedicht von Saskia Reither ist dies Motto und Material für die Komposition von Gerald Eckert, Leiter des Ensembles "Reflexion K". Eckert schafft ein klangliches Abbild des Unwirklichen, in dem schwindelnd hohes Akkordeon und Piccoloflöte neben dem dumpfen Atem von Bassflöte und gestrichenen Gongs stehen. Ein einleuchtendes, ja ergreifendes Monument für den Moment vor oder kurz nach dem Verstummen.

Etwas mehr als ein Jahr später, ich weiß nicht mehr warum, stieß ich am 15.1.2006 nochmals auf das Hölderlin-Fragment und machte daraus eine fugierte Variationenfolge, die außer im Forum der 13 noch nirgendwo online steht, weshalb ich sie hier poste:

--- snip! ---

hölder|on/lin\e

"Wie Wolken um die Zeiten legt ...

Und Schatten beschreibend hätt er
Der Augen Zorn ..."



1

wie wolken um die zeiten legt
sich marmor, gehet auf die knie
vor grabgesteingebirgen,

wo amor seinen pfeil gesandt
aus nimmermehr vermehrtem nie
in rosen einer laube.

wie monde heben sich den rock
am himmel, nein, vielmehr im loch,
so geht ein schilf auf reisen.

1.1

und schatten beschreibend hätt' er
vernagelte tür solcher horen,
der augen zorn.

ein sänger aus lust seiner wetter
wär' längst schon darinnen erforen,
lebendig' horn,

geblasen ist's sicher sein retter
wie lustig erschienen den mohren,
die waren vorn.


2

wie vollmond sich aufs altenteil,
vernarbtes, legt, aufs sterbebett,
als wär' zuhanden leuchten,

laternen doch der nacht auf wacht
die frechen eltern, feist im fick,
dass sie euch kinder machen.

aus gleichem glas den selben seim
ertrunken, schwebt es in sein grab
nach seiner schütt'ren bahre.

2.1

gleichwohl an der rampe lächelnd
und stöhnend den trank und säfte
hat's immer durst,

darob es sich gießt zerbrechend
ins scheiden derselben kräfte.
als taube gurrst

du da, ihr betäubung fechelnd.
ins herz rammst ihr wild die schäfte,
auch wenn du murrst.


3

betrunken von dem alkohol
und schwer bekifft ist das gedicht -
es singt doch von dem lieben.

und ist den worten viel zu wohl,
als dass es wäre schattenlicht
und henkersknecht den hieben.

es würde klingen, wär's nicht hohl,
wir würden's singen auch als wicht,
entflohen allen kriegen.

3.1

und schatten beschreibend hätt' er
uns nicht im vers beschrieben,
nur auch und jäh.

dass wir uns verjüngen dem zepter,
der krone, dem kreuz zerstieben,
ist unser weh.

--- snap! ---

Ohne genau zu wissen, was ich da schrieb, nur dass ich es schrieb, fiel mir, in der Pause rauchend vor der Kirche, noch ein Bild in den Kameraschoß: schnee.stein.



Etwas Meteoritiges (Komet = "schmutziger Schneeball"), die Meteo-Riten des Wetters aus den Überresten des Verstummens des Winters und seines (Grab-) Steinsturzes feiernd. Klang im Kopf aus Farben, die Kerzen vergilbt Schatten werfen. (Und dies Dichten um des Dichtens Willen, weil man sonst ausfließt, reines l'art pour Laertes, Studien an Hamlets Schädel, total selbstversunken und reichlich kunstmonsternd (wie sehr früh morgens die leinwändigen Schädel von T-Rex in "Jurassic Park II") ...)

... wie wolken um die zeiten legt sich dünner dunst ...

Freitag, 26. Februar 2010

Do, 25.2.10 (Fr, 26.2.10, 2:18): bleistiftgedicht

bleistiftige zeichnungen von den bleichgesichtern der träume, überspannt das bettfedrige himmelsgrau. die kugelschreiber ticken wie uhrgläser rieseln, filzgeriebene flitzer über das nackte papier, auf dem die singenden linien sich parallelytisch verschleifen. die bänder der frauen auf den tonbändern der geräuscharchive, kobolzende foleys, wispernd über die buchrücken, darunter das zartzeitgewichtige linnen, weiche tücher, die buchstaben zu wärmen, den versen hauch zuzufächeln und durst in die ferngläser zu gießen. die silbernadel des horizonts auf die weißen barthaare gezeichnet. bleistift versus kajal. kajaks neben doppelhüllentankern und in ihrem schäumenden fahrwasser. ruhig liegt der nordatlantik unter seinem nachthemd aus frühjahrseis. gänsegackernd der see im fahlen nachtlicht der innenstadt. es gilt, die leeren räume mit sinnfracht zu besetzen, dem schlaf seine geschichten zurückzuerzählen, den dampfenden pferden retourkutschen anzubändeln und die schiffe ihren häfen zu entfremden. es gilt, aus all den roten fäden stahltrossen zu flechten, den leuchttürmen babylonische anstriche und die abschiedszüge zu verpassen. es gilt, das blei des bleibens zu gießen in globuli homöpathischer dosen. steuermannlose u-botte mit käschern zu fangen aus dem teich, in dem die karpfen fett ansetzen. und die schoner sollen im horizont versinken, erst ihre fischleibig geschmeidigen rümpfe, dann die masten wie bleistifte im köcher des tintenfasses. und so wieder die ringe tragen, geschichten durch die nadelöre der o. zu garnen und den beinen ihre gespreiztheit durch die worte zu geben.

Donnerstag, 25. Februar 2010

Mi, 24.2.10 (Do, 25.2.10, 5:05): requiem.arbeit.der.kampf

Wege durch die Arbeiterkämpfe und die Buchtempel und die gemeinsamen Ermüdungen, Entspannungen, die spät abends zur Fortsetzung der Schau von "Pride & Prejudice" führen. Mr. Darcy! ... Und gemeinsam schwelgen in der mozartesken Filmmusik. Wobei mir ein weiterer "Joker" einfällt, um um Lilly zu werben und sie zu beeindrucken: Dass ich ja mal ein paar Sätze für ein Requiem komponierte, 1983 bis 1986, in letzterem Jahr sogar aufgeführt in der Anker-Gottes-Kirche zu Laboe.

Ich spiele es Lilly nicht nur vor, ich entdecke das Werklein dabei auch wieder. Zwar eine recht konventionelle, wenn nicht durch und durch romantelnd eklektizistische Vertonung der Totenmesse, gleichwohl so schön, wie Lilly sie jetzt findet. Und ich d'accord mit ihren Tränen und der Bewunderung über "ihren Künstler".

Durch vier Rechnerabstürze rette ich das Material ins Digitale und also für die Ewigkeit, von der es sein "lux aeterna" im Konjunktiv singt, nachzuhören wie folgt auf schwungkunst.de:

Requiem (in 9/10 Sätzen) (1983-1986) für Chor und Orgel (jm/ögyr, 1983 bis 1986) in der Aufführung vom April 1986 in der Laboer Anker-Gottes-Kirche mit Mitgliedern und Ehemaligen des Chores der Heinrich-Heine-Schule Heikendorf unter Leitung von Heike Meyer (Orgel: Helga Hoppe).

Dazu ein "bonus.track" von Anfang der 90er Jahre unter Verwendung des Soundmaterials (gemixt auf dem alten Amiga.2000), als ich die christliche Religiosität mit der Marx' verband: Arbeiterkampf, wie immer noch "Arbeit, der Kampf" ...



01: praeludium
02: requiem / kyrie
03: dies irae
04: liber scriptus
05: sanctus
06: benedictus
07: agnus dei
08: in paradisum
09: libera me
10: requiem.arbeit/d/er/kampf
requiem (gesamt + bonustrack)

Lilly fragt, ob man dies an meinem Grabe spielen solle. Ich antworte wie überhaupt ihr (mit Molly Bloom im "Ulysses"): "Ja, ich will, ja!" Wenn das nicht Hybris wäre, wenn mein jugendsündelndes Not(en)werkeln vor den Geschichten danach und all dem Leben und Einschlafen und Wiederaufwachen, vor all dem Alltag des Inneren Bestand hätte. Lilly berichtet vom Seelischen, während ich so und ein Zimmer weiter weg "und mit deinem Geiste" war. Gutenachtkuss und das "Agnus Dei" wie das "Libera Me" im Ohr.

... davor ...

"Salva me, fons pietatis ..."

Mittwoch, 24. Februar 2010

Di, 23.2.10 (Mi, 24.2.10, 3:05): In trockenen Schneetüchern

Etwas schlingernder Tag mit viel Kleinarbeit mit Liebe zum Detail (KN-Interview mit Hennes Bender, für das Lilly die Fragen erarbeitet hat, die sich als weiser herausstellen als meine routinierten es gewesen wären) und nachmittags Heimkino - "Heavenly Creatures", passend zur Parallelwelt hier innen und innig, aus der wir abends zum Literaturhaus aufbrechen, um eine Aufnahme fürs Literaturtelefon zu machen.

Durch den wieder überfrierenden Restschnee an die Förde, vorbei am Kleinen Kiel. Mondlichtbleich zuweilen, dann wieder Wolkenblei auf der Stirn. Geborgene Gespensterstimmung auf dem Wegabschnitt durch den Alten Botanischen Garten, wo der Schnee noch ungeräumt ist.

Schlafender Garten, über den die Schneefälle Schichten wie Tücher gelegt haben. Gibt es poetische Orte? Wenn ja, was macht sie zu solchen? Und sind das dann auch Orte, wo man gut schreiben könnte? Oder ist ein guter Schreibort der, wo sonst keine Poesie herumlungert?

Nachts weiter im Tagestickertext abzuarbeitender Mails. Dieser stete, tröpfelnde Strom von Arbeitsaufträgen. Das stoische Basteln an Anzeigen, das Umherschieben von Kästen auf der Fläche des Layouts. Laubsägearbeiten. Hier fallen keine Späne, hier wird nicht gehobelt, hier bleibt der Kragen rein und platzt nicht.

Wie lange will ich das noch machen, als Brotjob? Eine stupide Arbeit, dennoch bin ich die meiste Zeit des Tages gar nicht zu anderer in der Lage. Aber ebenso dennoch huschen die Kreativitätsfenster vorbei wie die eines vorbeieilenden, abgefahrenen Zuges.

Egal, wie auch immer.

Seltsam nüchtern nachts. Und teilend Lillys Unbehagen, dass unsere Zimmer einerseits zu weit auseinander liegen, andererseits zu nah für die Ruhe des Schlafs. Als bräuchten die Träume, auf den jeweiligen Lagern geträumt, aber genau diese Unbestimmtheit zwischen Nähe und Distanz, um sich im gleichen "Groove" zu bewegen, dem des Parallelweltlichen.

Leiser Plan für ein Gedicht, aber noch ungreifbar. Muss noch durch einen Traumwaschgang ...

Dienstag, 23. Februar 2010

Mo, 22.2.10 (Di, 23.2.10, 4:20): buch.stäblich

Eigentlich ja zartzärtlich gestimmt nach Schau von Lone Scherfigs "An Education"“ (und fortgesetzt hernach romantisiert auf den MacBook-Schirm gespannte "Sinn und Sinnlichkeit") im heimelich popcorn-knusprigen, Langnese-eiskonfektionierten Studio-Kino nochmal als "Fingerübung" nachts dies erotisiert gedichtet ("Auftragsarbeit" ;-) von Lilly):

buch.stäblich

du willst das dicke ding,
"amazing willy", "enormous prick"
schon, doch nicht, eh' er ist
leisetreter zwischen deine po-geebnet' zeilen.

dies händeblütenblätterpaar, wenn es
auf dir gewachsen keine wurzeln
schlägt, dieweil der hirtenstab
dir tief eindringt.

wenn meine fingersticks erschlagen diesen beat
aus buchenswerten deckeln,
auf denen fanden sie g'rad deinen topf,
sinkst du, in was du sängest

das leideliebelied à cappella de chopin,
den bauchmietzeltanz à la turca
"vorne mo- und hinten zart",
wie dichter gernhardt uns gern gerngehabt hat.

ich versteif' mich nicht
den küssen, lege kissen
dir unter dein haupt-
wort, um das verben werden werben,

die zu schön sind, dich
zu sehr,
zu ein-sam zu beflecken,
wenn wir uns're lippen lecken

wort um wort verstärkt versteckt
geklaubt aus innigsten
der innenräume, jungfernschaft
noch einmal auf den schaft geschafft.

du willst die dicke lippe,
dass ich sie rüstiger riskiere
als boxer, der den woofer-klang
der seile singt, in die er geht.

blutend liegst du monatsschwanger
auf meinem finger, forschend,
wo ich bartels seinen most
aus deiner dünnen haut geholt.

du willst den dicken
dichter, wie er auf dich seine leichten
blätter legt und spricht dir reiner sein
gebet, das endet - "amen" - deinen armen.

und seinen jakobsstab, der
rhythmisch sticht in wegesränder,
fischt die pfänder, denn der
plumpsack geht noch immer um in uns.

Montag, 22. Februar 2010

So, 21.2.10 (Mo, 22.2.10, 3:33): wo ich auf dich gewartet haben werde

jede zeit ist zwischenreich,
und arm sind die momente,
die wir nicht wirr werden
erlebt haben.
das niemandsland, aus dem wir
kommen, in das wir gekommen
sein werden, wenn uns die gestutzten
flügel nachgewachsen waren,
ist das futur 3einig, das nicht mehr
und doch schon,
wo ich auf dich gewartet haben werde,
weil ich dir dort wurde,
wohin du sehntest, bevor du gewusst haben wirst,
was sehnsucht ist.



sie heißt auch unentdecktes land,
robinsonare muzak an
gescheiterten gestaden,
ein glockenton im scheingewürf
der lichter. so spricht
der dichter, reimt die räume
rundgeeckt, schleift die seide
um seine traumgeschenkverpackung,
aus der er jack-in-the-box
federsprengt und fräulein holle ihre daunen zählt.
denn eine jede zeit ist zwischendurch,
ist noch nicht und längst schon,
war in der zukunft
verspätete ankunft,
ein gleisbau der erfror'nen weichen,
das stellwerk der abschiede.
die schwellen humpeln uns
zwischen den füßen -
wandernde wir oder sie,
über die wir schreiten?
ich bin noch da,
nur manchmal fort
am ende dort,
die eintrittskarte
mit den wegbeschreibungen darauf
als dein ziel zu mir.
jede zeit ist leicht,
wird umgeblättert als eselohrwurmseite,
denn nicht die widersprüche, sondern
die wiedergänger sind die hoffnungen,
wie sie gesungen haben werden
ihr immergleiches lied
auf dem marsch in immergrüne länder.

(für lilly)

Sonntag, 21. Februar 2010

Sa, 20.2.10 (So, 21.2.10, 4:01): Schlaumeyer

Die ganztägliche Müdigkeit weicht immer erst da, wo die Mythen der Müden schon längst schlafen. Denn wie wir wissen: "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer."

Nachts also mal wieder in Hochform, schreibend, layoutend, Dateien verwaltend. Nebenbei, während ich auf dem Mac links arbeite, läuft rechts das 3sat-Special zur Berlinale, das feuilletonistische Gelaber über Film. Fein. Gar nicht blöd. Nur so gewohnt.

Um Gewöhnung und deren Folge Ermüdung geht es auch im KN-Text von heute über die Spezial-Nacht der Wise Guys in der Ostseehalle (die jetzt voll doof "Sparkassen-Arena" heißt). Ich kille meine Darlings ...

--- snip! ---

Klassische Klassenfahrt

Die Wise Guys boten Bewährtes bei ihrer bejubelten Spezial-Nacht in der Sparkassen-Arena.

Kiel - Nicht nur das Publikum in der fast ausverkauften Sparkassen-Arena braucht die auf drei Leinwände als gemeinde-chorisch-fröhliche Mitsing-Aufforderung projizierten Karaoke-Texte nicht. Wenn die Wise Guys eine Spezial-Nacht feiern, dann ist das ein riesiger A-cappella-Afterglow mit alten Hits, die jeder kennt, gerade auch der Rezensent, der das Quintett, vor einem Jahr aufgefrischt mit dem Gettorfer Gesangstalent Nils Olfert, schon seit einigen Jahren bei seinen Kieler Auftritten begleitet.

Letzterer Umstand ist keine unbedingt günstige Ausgangsposition, verleitet sie doch dazu, auch im neuesten Album der Wise Guys namens "Klassenfahrt", das sie in Teil Eins und Zwei der Spezial-Nacht rauf und runter singen, einfach nur Klassisches zu entdecken: Wise Guys, wie wir sie kennen, wie wir sie lieben. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Neuzugang Nils Olfert passt sich so perfekt in die ausgeklügelten Arrangements ein, dass der "frische Wind", von dem die Köln-Kieler meinen, er wehe, im Bewährten verhaucht.

Was ja nicht schlecht ist, wenn man so hochklassig klassisch durch die Stimmbänder - und nichts als solche - bewegte heiße Luft zu so perfektem "Vokal-Pop" zu verdichten weiß. Wenn die Beats wummern, als kämen sie aus intelligenter Elektronik, aber doch "nur mit dem Mund" gemacht sind. Wenn MC Dän mal wieder Liebe, Leben und andere Alltäglichkeiten in Texte gegossen hat, die so unwichtig sind wie eine "Mittsommernacht bei IKEA" und dann plötzlich wieder so berührend gewichtig wie die Verlustängste im Song "Lisa" über eine Tochter sich trennender Eltern.

Lange her, dass man für diese Art der Close Harmony, des Gesangs von fünf Freunden im Einklang und Einverständnis, noch werben musste. 1996 sangen die Wise Guys erstmals in Kiel auf der Krusenkoppel. "Wer war damals schon dabei?", fragt Dän in der ebenfalls zum Ritual gehörenden Publikumsbefragung. Ein Dutzend Arme hebt sich unter Tausenden. Ist das Symbol für das schnelle Altern einer immer noch innovativen Band ins nur noch Klassische?

Berufungsjugendlich haben sie sich nochmal auf "Klassenfahrt" begeben, sind aber schon im Opener-Video als Besatzung der "U.S.S. Klassenfahrt" so "retro" wie die Besatzung des Raumschiffs Enterprise, dessen einstige Zukunftsvision längst die Gegenwart des Ewiggestrigen überholt hat, ohne sie einzuholen. Und doch sind sie so frisch - nicht nur "wegen dem Olfert", dem die Kieler Lokalpatrioten karnevaleske Grußkamellen entgegenfiebern.

Richten wir uns einfach darauf ein: Ein Wise Guys-Konzert in Kiel ist ein Klassiker, zu dem wir klassenwallfahren. Der Kreuzzug ins Gefühl findet dennoch erfreulich canossa-gängerisch statt. Wundervoll, weil voll von echter Emotion, sind Balladen wie das heimliche Liebeslied "Mit besten Grüßen", Tränen wahrhaftiger Rührung kommen einem beim innig fünfstimmig gesetzten Choral "Sorge dich nicht". Da ist Poesie im Pop. Ansonsten gehen die Wise Guys auf Nummer Sicher und ernten dafür immer wieder Szenenapplaus in stehenden Ovationen, die die Mitsing-Nacht schon im regulären Programmteil vorwegnehmen. So sind Klassiker auf Klassenfahrt - ewig jung, weil schon so alt.

--- snap! ---

Man sagt mir nach, dass meine KN-Texte mehr über mich aussagen als über das von mir Beschriebene. Das könnte hier mal wieder stimmpfeifen, wenn nicht röcheln. Aber nur, weil ich mich fast trauernd an die Beschreibung wage. So ein melancholisches Gefühl wie in "Sorge dich nicht". Ohne Lilly auf dem Sitz neben mir - wir am Pressepult im 3. Rang - wäre mir das zu einsam-professionell geworden. Für sie ist der Eindruck frischer, gleichwohl ähnlich distanziert wie meiner. Ihr Blick, den ich küsse.

Überhaupt wundervoll, sie seit Wochen dabei zu haben. Und dass sie mich dabei hat. Dabeisein (mehr noch als Zweisamsein). Zwischenzeitlich die Langeweile des mit Alltag Drohendem. Dann aber immer wieder dieses bohémeische Entweichen, dieses dem Herrgott den Damensattel Stehlen. Ist es anstrengend, mit ihr nicht "normal" zu leben? Ja, aber auch enervierend, dieses nie locker Lassen in ihrer dauernden Lockung.

Wäre ich Wise Guy, verdolmetscht Schlaumeyer, sänge ich Lieder darüber, über sie, in vollen Hallen. Allein, welche wären diese?

((BTW: Den Prag-Plan (auf den Sommer hin, die Jahreszeit der fliegenden Mini-Röcke'n'rolligs) nicht vergessen, sondern wiederträumerisch. Wir einen Monat bohämisch in der Stadt Kafkas und ergo kafkaesk. Wann, Lilly?))

Samstag, 20. Februar 2010

Fr, 19.2.10 (Sa, 20.2.10, 4:44): Poker

Lilly zeigt mir, wie man pokert, namentlich die "Texas hold'em"-Variante. Wir spielen um Chips aus Cents bis zu einem Euro. Nur zum Spaß, versteht sich. Wie immer fällt mir Spielen (wenn's nicht mit Worten ist) irgendwie schwer. Ich habe kein Spielergehirn, kann nicht taktieren und bin sowieso völlig unstrategisch. Lerne aber beides dennoch rasch zumindest als angenommenen Verhaltensmodus. Aber bin zu vorsichtig beim Setzen und zu sicherheitsbewusst. Bluffen geht sowieso nicht, obwohl das am meisten kitzelt. Außerdem schafft das Spiel - wenn auch nur spielerisch - so eine seltsame Konkurrenz. Lilly mag mich nicht verlieren sehen, ich sie auch nicht, so liegen wir uns in den Armen, statt den Pot zu kassieren. Insofern sind wir keine guten Pokerer. Allein, irgendwie ist das Spiel faszinierend. Auch weil es diesen etwas verruchten Glücksfaktor hat. So bin ich dann doch rasch angefixt. Aber kaum vom Spielen selbst, als davon, die Figur des Spielers begreifen zu wollen. Im Netz findet sich der Poker-Film "Rounders", den wir schauen - beide hochgespannt und mitfiebernd. Recherchiere dann noch im Netz all die Varianten und Historien des Spiels, die spieltheoretische Brisanz usw. All das mindestens so interessant wie Schach, was wir neulich mal spielten und was bezeichnenderweise auf ein totales Remis hinauslief. Wir können halt nicht gegeneinander sein. Jetzt auf die neue Arbeitszimmermatratze und von Flushs und Straights murmelnd ... im Full House der Träume.

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