d.day - keine nacht für niemand

Sonntag, 23. Mai 2010

Sa, 22.5.10 (So, 23.5.10, 1:39): Treppauf

Schon wieder blaue Stunde. Für meine Verhältnisse früh auf, weil die Raumpflegerin kommt. Bin aber noch gebläut vom Schlaf und kommunikationsarm. Geflohen daher, um die defekte Brille (Bügel ab) zum Optiker zu bringen. Dachte, der schraubt da was, dann ist sie wieder ganz, aber nein, muss eingeschickt werden. Jetzt also Wechsel zwischen Ersatzbrillen, eine für fern, eine für nah.

Fahrstuhl kommt nicht, daher zu Fuß treppauf, befürchtend, außer Atem zu kommen. Ist aber nicht, bin stoisch steigend und laufe, denkend in Bläue noch aus dem Traum, bis in den 4. Stock. Kurz orientierungslos. Aha, Abzweigung zum Laubengang verpasst.

Kohlrausch-Knick, Diskontinuitäten, nicht differenzierbare Treppenfunktionen des Denkens, Sehens, Empfindens. Ganz seltsame Stimmung den ganzen Tag.

Verscheucht mit den verzettelten Brotjobs. Dann los, vom Fotografenkollegen an der so genannten KAISERTREPPE am Hauptbahnhof in seinen Kraftwagen aufgenommen, zum Lutterbeker. Dort kühle Notizen zu emotional gemeinten Chansons, deren Texte mir aber zu leer erscheinen. Schlechte Reime. Alles zu einfach, zu durchschaubar.

Wieder wach, sozusagen, erst, als ich auf dem Rückweg weiter an das Nachtsichtgerätprojekt denke, als ich die Treppe aufwärts gehe, die vom KN-Gebäude zur "Hohe Str." führt, ein Ministräßlein, das ich über die Woche x-mal gehe. Jetzt, nachtdämmernd, ein heftiger Anflug von klaustrophobischem, aber als kreativ impulsiv empfundenem Fremdheitsgefühl in der vertrauten Umgebung. Halte mich - mit Beschluss, damit es symbolischer ist - am Geländer fest und sage fürs Protokoll: "Uff". Dann Foto.



Steigverwackelt, an der Empfindungsschwelle des Fotosensors. In Photoshop kontrastiert wird die Bildinformation sichtbar. Treppauf. Im selben Moment kommt Surr-SMS (daher die Verwackelung) von Lilly, dass sie jetzt in Schlummer sich legt. Plötzlich wieder vertraut mit Welt, die sich - Kohlrausch-Knick - wieder mit Farbe füllt, mit Lilly-Farben. Am Knick der Waisenhofstr. angekommen Blick auf die Ostseehalle, woraus noch erregte Zuschauer fluten. Gefühl von Vertrautheit plötzlich nach dem der Verfremdung eben. Vorbei am dunklen Fenster von "Gleis 7", dem Modelleisenbahnergeschäft mit den Faller-Häuschen im dunklen Fenstergähnen, heimwärts, ohne Fahrstuhl treppauf. Dort kein Licht gemacht, im Dunklen gesessen noch eine Weile, lauschend meinen mainachtsichtigen Augen.

Fr, 21.5.10 (So, 23.5.10, 0:58): Dialektik der Dämmerung

Weiter fasziniert von den leeren Bildern der Dämmerung, da wo sich die Pupillen maximal öffnen, wo das Farbsehen aufhört, Schichtwechsel auf der Netzhaut von den Zapfen zu den Stäbchen. Der Kohlrausch-Knick beim Übergang vom photopischen zum skotopischen Sehen. Soweit die Physiologie des Gesichtssinns - interessanter noch die damit verbundenen Gefühle, die auch so etwas wie einen Knick aufweisen. Oder eine Art Niemandsland zwischen Tag- und Nachtempfinden.

Das Phänomen Dämmerung als Durchschreiten eines Grenzstreifens. Versuch, diesen diskontinuierlichen Übergang festzuhalten. Fotografisch schwierig, weil die Fotos nie die Farbstimmung wiedergeben. Beispiel hier: Blick aus dem Fenster am Laubengang in westliche Richtung beim Warten auf den Fahrstuhl:



Aufgenommen beim Aufbruch in die Schaubude, um dort "The Magic Touch" zu besprechen, Reggae-Rocksteady-Combo aus Berlin/Leipzig.

--- snip! ---

Reggae auf Rock'n'Rollisch

The Magic Touch übersetzten in der Schaubude den Rock'n'Roll in Reggae.

Kiel. Die Herren aus Leipzig und Berlin tragen wie einst die Pilzköpfe geschniegelte Anzüge. Reggae im Nadelstreif kommt als Rock'n'Roll und orgel-bluesiger Rockabilly auf die Bühne der Schaubude. Und schon nach drei Songs ist das Publikum ein ungestüm tanzendes auf dem Dancefloor.

Rocksteady heißt der Vorläufer des Reggae, der nordamerikanische Altwelt-Funke, der Ende der 60er Jahre dem Reggae und dem Calypso-Feeling den letzten, entscheidenden Kick gab. So retro klingen The Magic Touch, wenn sie in der Schaubude einen frisch blutenden Finger auf eine alte Wunde legen. Selten hört man die Rock'n'Roll-Spuren so altertümlich deutlich im Reggae und Ska. Die magischen Berührer machen das schon im Opener klar: "Hang Em High" nimmt akkordischen Bezug auf das "House Of The Rising Sun" und damit auf einen Klassiker des R'n'B.

Wild fliegen Magic Jo's Finger über die Orgeltastaturen. Wenn Magic Alex an Lead-Vocals und -Gitarre sich ins transatlantisch-partnerschaftliche Zeug legt, ist der Keyboarder im gepflegten Hintergrund, es sei denn er lässt sich zwischenzeitlich zu irrwitzigen Soli hinreißen. In den rein instrumentalen Stücken ist er noch angenehmer ausufernd. Man mag kaum glauben, dass gebürtige Mitteleuropäer den Sound des Zuckerrohrs und seiner Ausgebeuteten so perfekt drauf haben. Immer wieder verwunderlich, wie sie die Karibik auf den europäischen Rock-Punkt bringen.

Beschwingt bis beschwippst agiert nicht nur Jo's Orgel. Auch Magic Sven bietet ein Schlagwerk, das haarscharf neben dem Offbeat und damit wieder "four to the floor" liegt. Ferner ist er der Mann für Back- und erdig-knarzende Lead-Vocals, die dem Rock die gleiche Ehre wie dem Reggae erweisen.

Kurz und bündig sind die Songs der Zauberer zwischen Rock und Reggae. In den Intros wird elegisch breit vorgelegt, um dann fix zur Sache zu kommen. Codas inszenieren die Anzugträger ebenso, wie sie sie meiden. Überraschend offene Schlüsse gehören zum Konzept. Überhaupt ist Reggae ja vielleicht eine unendliche Melodie, ein Lebensgefühl, das singende Höhepunkte hat, aber auch im Schweigen noch nachklingt. Stichwort: Verschleppung der Offbeats treffsicher auf die Eins. The Magic Touch erweisen sich als Magier des Beats, der gleichzeitig extrem ungerade und auf den Schlag genau rockend ist. Das macht ihren Reggae-Rock schwer tanzbar, regt aber doch an zu Bewegungsdrang.

Vielleicht ist dies das Geheimnis einer Musik, die zum Rock'n'Roll ebenso viele Brücken schlägt wie zum manchmal träge, dann wieder hochgeschwind zelebrierten Reggae. Es braucht nur ein paar solcher Songs, bis man sich fragt, ob die Beat-Musik genau so geklungen hätte, wenn sich Beatles und Stones mehr in Richtung Karibik als Indien orientiert hätten.

--- snap! ---

Auf dem Weg vorbei an dem Haus mit dem einzelnen erleuchteten Fenster gestern in dem "Blues"-Triptychon. Sieht jetzt grauer aus, weniger blau, was sich fotografisch nicht reproduziert.

Dann in der Schaubude am Tresen ROT gedämmert



bei einem zu bitter schmeckenden Gin-Tonic (Überlegung, ob auch der Geschmackssinn einen Dämmerungszustand kennt) und in Erwartung der Band. Der Zustand wartender Untätigkeit hat auch etwas von Dämmerung. Das beste Bandfoto ist das,



wo die Band noch nicht da ist. Gedanke an die stark empfundene Anwesenheit bei Abwesenheit. (Auch wegen Entzugserscheinungen von Lilly, Sehnsucht wäre dafür ein zu einfaches, ungenaues Wort. Versuche, diesen Zustand, der auch etwas mit Dämmerung zu tun hat, genauer zu beschreiben - hier mit der Dialektik der Dämmerung).

Do, 20.5.10 (So, 23.5.10, 0:11): Blues

Im Roten Salon Film über die Hamburger Band "Der Fall Böse", die auf einer Gewalttour durch Australien fast versickert wäre. Gähnende Leere. Ein Film über den Blues in einer Atmo, die den Blues hat, in der leeren Disko.

Mein Leuchtstift in blau.

Draußen Blaue Stunde, jetzt immer später. Und Lauluft. Wandere noch herum und mache Blues-Fotos. Fassaden der Stimmung und des Himmels.







Wiederentdeckt die seit langem immer mal wieder gehegte Idee, einen Film über Nacht zu machen. Unterbelichtung, Schemenhaftigkeit als Bildprinzip. Dazu Blues. Arbeitstitel: "Dunkelblau".

Donnerstag, 20. Mai 2010

Mi, 19.5.10 (Do, 20.5.10, 4:58): Vier Honigbienen mit einer Klappe

Ich tapferes Schreiberlein erst wieder viel zu spät aus den Daunen an die Feder. Dann aber agiler Schaffensrausch, bei dem selbstreflexiver Weise der Texte mal wieder alles mit allem hirten(buch)stäblich zusammenhängt.

Nachgetragen von gestern, doch erst heute fertig gemacht, leider viel zu wenig gute Stellen aus dem Interview mit Ines Lindner, Intendantin des Forums der Muthesius-Kunsthochschule, einbauen könnend, der Vorbericht über das Symposion "RestNaturen". Viel nachgedacht über den philosophisch-phänomenologisch-ideologiekritischen Hintergrund, davon aber nur wenig und auf Zweizeiler heruntergebrochen untergebracht. Die Zeilen füllen sich zu schnell mit dem Abraum des Nachrichtlichen. Dennoch ganz gut gelungen:

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Reanimation natürlicher Reste

Das Symposion des Forums der Muthesius-Kunsthochschule spürt den "RestNaturen" nach.

Kiel. Natur spielt in Kunst und Wissenschaft seit jeher eine große Rolle, zumeist jedoch im Gegensatz zur Kultur, dem vom Menschen geformten Raum. Doch ist ein solches Naturverständnis zeitgemäß? Sind die Landschaften, die wir als ursprüngliche Natur empfinden, zumindest im dicht besiedelten Europa nicht auch Produkte von Kultur und Geschichte, und kann man den Urwald zurück zwischen Beton und Asphalt bringen? Das Symposion des Forums der Muthesius-Kunsthochschule beschäftigt sich am kommenden Wochenende mit solchen Fragen der "RestNaturen".

Der erste Teil des Symposion-Titels habe schon "etwas Melancholisches", räumt Ines Lindner, Intendantin des Forums, ein. Jedoch seien die Reste von Natur in der Kulturlandschaft auch Ausgangspunkt, im Rekurs auf Bruno Latours "Politische Ökologie" den Naturbegriff zu hinterfragen und Natur nicht mehr als Gegensatz zum Sozialen zu denken, sondern "als Ergebnis von historischen Verläufen im Miteinander von Natur und Mensch". Der Soziologe Stephan Lorenz wird dies in seinem Eröffnungsvortrag "Rückkehr und Verschwinden der Natur" (Fr, 15.30 Uhr) entfalten. Lindner selbst hat in ihrem Vortrag (Sa, 10 Uhr) "Dystopische Landschaften" im Blick, etwa die ostdeutschen Braunkohlereviere, die man versucht zu "renaturieren", dabei aber wieder nur eine Kulturlandschaft, beziehungsweise deren Reste, durch eine andere ersetzt. Die reinstallierte Natur ist hier ebenso ein Kunstprodukt wie der vorherige zerstörerische Eingriff des Menschen.

Naturräume wie "der deutsche Wald" sind hochgradig symbolisch aufgeladen, insofern immer auch Kulturlandschaften. Das Symbolische früherer Nutzung bleibt auch bestehen, wenn sich die Natur "Peripherien, Lücken im Flächennutzungsplan" zurückerobert - etwa den ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen. In ihrem Vortrag "Vom Todesstreifen zur Lebenslinie" (Sa, 12 Uhr) berichten die Biologin Elke Körner und Helmut Maack vom BUND, wie ehemals getrennte Kulturen durch ein einzigartiges Biotop miteinander verbunden werden, ohne dass die lebendige Geschichte dieser Landschaft in Vergessenheit gerät. Mit Geschichte von Natur und Kultur setzt sich auch die Berliner Künstlerin Ulrike Mohr auseinander. Ihr Projekt "Restgrün" (Sa, 11 Uhr) zeigt, wie sich Natur, Gesellschaft und Geschichte im städtischen Raum gegenseitig durchdringen. Sie siedelte Bäume, die auf dem mittlerweile abgerissenen "Palast der Republik" wild gewachsen waren, in anderes städtisches Brachland um.

Um städtische Brachen, zeitweilig aus der Nutzung gefallene Flächen, kümmern sich auch Berliner "Guerilla-Gärtner". Die Gartenbauwissenschaftlerin Julia Jahnke stellt dieses “politische Gärtnern" vor (Fr, 16.30 Uhr) - "konstruktiver ziviler Ungehorsam, pragmatische Einmischung in Gestaltung öffentlicher Räume, kreativ und subversiv". Ines Lindner sieht darin auch "das Widerständige" von Natur im Verhältnis zum Gesellschaftlichen - als eine Art "Gegenkultur". Die Kunst- und Kulturhistorikerin Susanne Hauser setzt diesen Gedanken in ihrem Vortrag über "Die Ästhetisierung der Brache" (Sa, 15 Uhr) fort, indem sie aufzeigt, wie sich Künstler solcher Natur, die sich an den städtischen Raum evolutionär angepasst hat, gestalterisch annehmen.

Neben solchen praktischen Zugängen zu den "RestNaturen" reflektiert das Symposion auch den theoretischen Diskurs darüber. Barbara Nemitz von der Bauhaus-Universität Weimar beleuchtet "Das vertraute Fremde, das fremde Vertraute", das Künstler am Vegetativen reizt wie bestürzt (Fr, 18 Uhr). Der Künstler Miron Schmückle zeigt, wie Walton Ford mit seinem "Bestiarium" Natur zum Kunstprodukt medialisierte (So, 10 Uhr). Abschließend (So, 11 Uhr) provoziert der Muthesius-Ästhetik-Professor Norbert Schmitz mit seinem Vortrag über den "Zoo als wahres, weil ästhetisches Bild der Natur".

Freitag, 28.5., 15 Uhr bis Sonntag, 30.5., 10 Uhr, Kunsthalle zu Kiel. Detailliertes Programm unter www.muthesius-kunsthochschule.de.

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Das fast fertig, Aufbruch zum Literaturhaus, um von dortiger LeseLounge zu berichten. Auf dem Rückweg durch den Pastor-Husfeldt-Park (Erinnerungen an die "dark" Jeanette S.) dieses Bild von Natur (links) und Kultur (rechts) geknippst - Honigernte Nr. 2 in einer lauen Mainacht:



Vorher im Literaturhaus, vor der Lesung, gleich noch zwei Takes fürs Literaturtelefon "geschossen", auf's iPhone, mein mobiles Multimedia-Büro, aufgenommen. Honigernte Nr. 3. Dann die Lesung für KN wie folgt verhonigwabt. Wobei sich seltsame Interferenzen zum obigen Text ergaben: Die Figur ist die Natur der Erzählkultur, genauer: sie entzieht sich, kulturell inszeniert, dem Gärtnern des Erzählens, was wiederum den Akt des Erzählens "natürlich" erscheinen lässt, Wildwuchs, surreale, Max-Ernst-haft-wilde Bildanlage - so Gedanken, die hier nur zwischenzeilig sich eindenken (vielleicht zu viel Schein auf dieses Sein projiziert):

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Vexierspiele zwischen Sein und Schein

Ulrike Almut Sandig und Michael Weins stellten ihre surrealen Texte bei der LeseLounge im Literaturhaus vor.

Kiel. "Das ist die Geschichte von jemandem, den es nie gegeben hat, von mir." So beginnt Ulrike Almut Sandigs Erzählung "Über mich" aus ihrem im Februar im Schöffling Verlag erschienenen Prosa-Debüt "Flamingos". Bei der LeseLounge im Literaturhaus entfaltet sie daraus ein surreales Vexierbild zwischen Sein und Schein und in einander verschränkter Erzählebenen.

Erzählt wird ein Leben rückwärts, von der Gegenwart des hohen Alters zurück zu den frühkindlichsten Erinnerungen. Eine ganz gewöhnliche, millionenfache Biografie, eine Geschichte, die es nicht gibt, weil "sie so viele ist". Aber: "Wenn ein anderer diese Geschichte vorwärts erzählt, dann wird es sie geben ... schauen Sie haarscharf dran vorbei! Was Sie jetzt sehen, bin ich." Kann man seine eigene Geschichte erzählen, ohne sich zu verheddern im Gestrüpp aus Dichtung und Wahrheit? Konstituiert der Akt des Erzählens nicht schon aus sich heraus eine eigene Wahrheit? Poetologische Fragen, die Sandig in ihren sprachlich mit Fein- und Tiefsinn gedrechselten Erzählungen ganz nebenbei antippt. Die Antworten sind die Erzählungen selbst. Denn ein Text "über mich" ist ein solcher, schon indem er es nur behauptet.

Sandig, die nach einem Studium von Indologie und Religionswissenschaft auch am Leipziger Literaturinstitut studierte, übersetzt ihre Lyrik aus den mit dem Leonce-und-Lena-Preis dekorierten Bänden "Zunder" und "Streumen" hier spannend in eine Prosa, die trotz ihrer Vielschichtigkeit etwas Leichtes, Lakonisches hat. Ihr Erzählen folgt dem Grundsatz der Novelle, indem "eine unerhörte Begebenheit" berichtet wird, und ist zugleich das Unerhörte im - nur scheinbar - Gewöhnlichen.

Auch Michael Weins schlägt in seinem nach "Goldener Reiter" (2002) zweiten Roman "Delfinarium", der 2009 im Hamburger Mairisch Verlag erschien, den Funken der erzählerischen Bewegung aus ungeklärten Identitäten. Da ist Martin, der eigentlich Daniel und mit Nachnamen Martin heißt, sich aber nicht traut, diese Namensverwechslung aufzuklären. Gleich im 1. Kapitel die Frage, ob man ein anderer ist, wenn man gerufen wird, wie man nicht heißt. Und wer ist eigentlich die geheimnisvolle Susann, die ihre Sprache und damit ihr Gedächtnis, wer sie sei, verloren hat? Sie soll er als Ersatz-Zivi pflegen, mit ihr in den Zoo gehen, ins therapeutische Delfinarium. Und ist von ihr so fasziniert wie als Kind von den Giraffen, "den Tieren wie aus einem surrealen Film".

Nicht minder seltsam sind die sich der Erkenntnis durch den Leser wie der Selbsterkenntnis immer wieder entziehenden Figuren in seinem Roman zwischen Psycho-Krimi, Liebesgeschichte und verrücktem Road-Movie. Der spielt im Alten Land bei Hamburg, einer zwischen Natur- und Kulturlandschaft verschrobenen Gegend. Heimat, Ankerpunkt für Sein statt nur Schein? Vielleicht - aber: "Nichts ist vertrauenswürdig. Du kannst dich auf nichts verlassen, also fang' gleich damit an!"

--- snap! ---

Hier der vierte Stich gegen die Klappe der Honigbienen. Rauschend und berauscht nun selbst in die Wabe Bettklappe, nachdem vorhin noch das fleißige (fünfte) Bienchen Lilly mir allerlei betörende und nachdenkliche Bilder, Sätze, Haikus und Aphorismen in den Denk-dran-Download-Ordner diktierte.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Di, 18.5.10 (Mi, 19.5.10, 4:08): Waschbär-Wir

Die Stimmung des Tages irgendwie anlehnungsbedürftig, kuschlig. Und häuslich, will nicht raus. Cocooning. Dafür den Abend über die richtige Beschreibung gesucht und nicht gefunden - bis Lilly dies Bildfundstück, bearbeitet "in einem Niedlichkeitsanfall", wie sie sagt, schickt.



Das sagt mehr, als ich schreiben könnte vom Waschbär-Wir.

Passt übrigens auch gut zum heutigen Arbeitsschwerpunkt, Recherche zum Bericht über das Symposion "RestNaturen" der Muthesius Kunsthochschule. Waschbären sind Kulturfolger, Wildtiere im städtischen Raum, RestNatur usw. Morgen mehr dazu.

Dienstag, 18. Mai 2010

Mo, 17.5.10 (Di, 18.5.10, 4:32): sonne scheint

punktpunkt, mond und sterne aus der ferne
nah geholt beschaut, wie punktpunktkomma-
strich auch mein gesicht gezeichnet, kerne
aus dem apfel schält, von röhr'nder honda

nur fast gestreift auf dem nachhauseweg.
der unfall lag so nah an erstem tag
des frühlings, dem die sonne noch so schräg
am abend stand, wo ich ihm schlummernd lag.

denn zwischen sein und oder ist die spalte
so dicht gesät wie jetzt die sommergerste.
ich lieg' indes zur nacht in dieser falte,

bin darin der letzte dieser sorte:
dichter, nicht mehr dicht und doch der erste,
der die dichtung schraubt in solche orte.

ögyr liest's

So, 16.5.10 (Di, 18.5.10, 4:14): "Rot und Schwarz"

C.S. schickt (als Echo auf unser Hotten bei der Hochzeit vorgestern) diese Skurrilität: Karel Gott singt eine deutschsprachige Version von Stones' "Paint It Black".

Abstrus und doch so gassenhauend, dass ich es (und auch Lilly, der ich den Link schicke) mehrfach höre. Unser Lied.

So auch der Sonntag, schräg und verkannt(et). Dennoch weiter mit der Arbeit, fast leichtfüßig. Es geht leicht von der Hand, wenn auch spät.

Mal rot, mal schwarz.

Wegen Fußballs in der ARD die vorgezogene "Lindenstraße" verpasst.

Viel mit Lilly gechattet, basso continuo des Tages. Abends im TV Doku über Glenn Gould. Go(u)ldberg-variiert schließlich spät in Schlaf.

Sonntag, 16. Mai 2010

Sa, 15.5.10 (So, 16.5.10, 18:24): Skurrilitäten

Nachmittags Arbeitsausflug zum Impresario, mal ausführlicher sprechen über anstehende Projekte, Web-Relaunch &c. In seiner Halle ein Riesenfundus von 50er-Jahre-Objekten, total faszinierend. Und so skurril wie sein Ford Taunus 12M, Baujahr 1955, den er aus der Garage holt. Der müsse jeden Tag ein bisschen bewegt werden, wie ein Pferd, sonst roste er ein. So werde ich zur Fahrt nachhause eingeladen - in der roten "Weltkugel" (hier ein Foto aus dem Netz).



Gefühl von Retro, Erinnerung an meine Matchbox- und Wiking-Automodelle, die ich als Kind hegte und pflegte, wenn ich damit keine Unfälle nachstellte und sie gegen die Wand von Lego-Häusern fuhr (schon immer fasziniert von Untergängen ;-). So einen 12M hatte ich auch als Modell, allerdings in schwarz, war immer mein „Agentenauto“.

Im Netz auf der Suche nach weiteren 50er-Jahre-Fundstücken. Dann aber zufällig im TV auf dies gestoßen, Ausschnitt aus einem 60er-Jahre Englisch-Lehrfilm. Sehr skurril:



"Why has the fuse gone, Tom?" ... "Peggy's letzte Sicherung ist durchgebrannt."

*lol*

Nachts Text; "no fuse in da house" ...

Samstag, 15. Mai 2010

Fr, 14.5.10 (Sa, 15.5.10, 4:30): Rote Liebesluftballons

Auf der Hochzeitsfeier von Stammtischbruder J.F. (und Bürobruder ehedem) und M.M. Diskussion am Tisch, warum man heute noch/wieder heiratet. Ich plädiere für die Okkupation des Symbolischen heraus aus der Einbeutung dessen durch das Bürgerliche. Im Dozententon Brecht im Sinn, dies "die Wolke, sehr weiß und ungeheuer oben".



Wir lassen Ballons steigen, am Heliumherz hängend ein Papierherz, auf das man die besten Wünsche notieren sollte. Bei circa 99 Gästen sind das Nenas "99 Luftballons", also 80er, also Wiedergewinnung von Vergangenem, was ja auch Zukunft ist, immer wieder neu aus dem Vergangenen losgelassen in den Himmel, der auf Erden schon sein soll (und das allein durch Liebe kann). Als Textfex vom Dienst liefere ich den Tischgenossen paar Zeilen, schreibe dann selbst auf das rote Tonpapierherz als guten Wunsch: "... dass euch Auftrieb wäre wie von diesen Ballons." Kassiber in die leeren Lüfte (des roten 14. Mais der Eh(r)e).

Nach der roten Luftnummer ganz traditionell der Eröffnungstanz des Hochzeitspaars. Als dazu "Moon River" erklingt, was ich im Original-iPhone-Soundtrack hinterher unter das Luftballon-Video montiere, bin ich oller Romantiker mal wieder dicht am Wasser gebaut: Tränchen aus dem Knopfloch des verschwitzten Sakkos gepflückt.

An den Tischen viele ehemalige Genossen - ehemalig in dem Sinne, dass wir alle noch wissen, was "Genosse" heißt, aber uns nicht mehr so nennen, weil das irgendwie inzwischen ewig gestrig ist. J.F. am Stammtisch ehedem ein Prediger davon, vom Scheitern damals. Indes lebt die olle Idee plötzlich wieder auf - in den 99 Luftballons der LIEBE.

C.S. berichtet von der ebenso ollen Ex, die jetzt internationalistisch in Adorno macht, was ihm M.S. erklärt. Putzig dies Spiel mit den Versatzstücken, den Kulissen der noch nachzuholenden Revolution, um mal good ol' Habermas zu zitieren.

Und dann hotten wir zu Stones' "Paint It Black" und - ja, auch das - Status Quo und TNT-Tina-Turner. Im trauten Trio. Der DJ, voluminös, umfangreich, Herzpatient-like, klopft den Rhythmus dazu auf seinem big belly. Moment der Rührung wieder: Er spricht den Text lippensynchron stumm mit. "Paint it [Red/Black]".

Lilly vermisst hier. Hätte ihr gern all das gezeigt. Und tanzen mit ihr den R'n'R. So hotte ich für sie in Gedanken - auch dies Knieverschränkungsding. Hoch-Zeit alternder Gedanken. Text. Musik. Eheversprechen. Und: Liebe.

Freitag, 14. Mai 2010

Do, 13.5.10 (Fr, 14.5.10, 2:12): Leichte Dürre

Das Dürre, Alleinige fällt heute leicht(er). Spät auf, lockere Kniebeugen, und an die verzettelten Arbeiten, To-do-Listen aufgeräumt, wieder einigermaßen auf dem Stand. Versäumnisse nachgeholt und damit die Berechtigung erworben, im übrigen weiter säumig sein zu dürfen.

Schlampig zwischen Regalen und Tastaturen, zwischendurch kleine Schläfchen: "schlampfen" also. Schönes Wort - wie auch "Mutwilligkeit".

Kefir getrunken. Text.

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