d.day - keine nacht für niemand

Samstag, 23. Januar 2010

Fr, 22.1.10 (Sa, 23.1.10, 0:10): Textmusik / Musiktextur

Testspielereien mit dem P22 Music Text Composition Generator, gefunden im Blog in|ad|ae|qu|at.

Motive:

frueherunten.aif: "von früher / nach unten, / von oben / nach später", 60 bpm, vibraphone



(größere Ansicht)

obenspaeter.aif: „von oben / nach später, / von früher / nach unten“, 60 bpm, vibraphone



(größere Ansicht)

wiewolken.aif: "wie wolken um die zeiten legt" (Hölderlin), 60 bpm, marimba



(größere Ansicht)

Tracks:

3_aufzug_1:
frueherunten.aif, kanonischer einsatz von obenspaeter.aif und danach wiewolken.aif (von 60 auf 45 bpm gestreckt)

3_aufzug_2:
frueherunten.aif und obenspaeter.aif (von 60 auf 45 bpm gestreckt)

Nette Spielerei, aber nicht überzeugend, da determiniert und aleatorisch zugleich. Wirkt statisch, stehen geblieben im definierten Dazwischen. Vielleicht noch weiter erforschen.

Freitag, 22. Januar 2010

Do, 21.1.10 (Fr, 22.1.10, 6:14): traumträge

Nur schwer wach geworden, weil im loopenden Refrain von Einstürzende Neubautens "Stella Maris" gefangen:

Du Träumst Mich, Ich Dich,
Keine Angst Ich Wecke Dich,
Bevor Du Noch Von Selbst Erwachst
Du Träumst Mich, Ich Dich,
Keine Angst Ich Finde Dich,
Am Halbschlafittchen Pack Ich Dich
Und Ziehe Dich Zu Mir.
Denn Du Träumst Mich, Ich Dich,
Ich Träum Dich, Du Mich,
Wir Träumen Uns Beide Wach.
Bitte, Bitte Weck Mich Nicht,
Solang' Ich Träume, Gibt Es Dich.
Laß Mich Schlafen Heuern Auf Ein Schiff,


Kleinkrämerische Arbeiten, zerklüftet von Wachtraumsequenzen.

Fortgesetzt nachts in David Lynchs "Der Elefantenmensch". Nebelhaftes ausgewählt und zusammenmontiert. Blendet über in den neuen Traum von morgen Morgen ...



Futurzweisamleben.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Mi, 20.1.10 (Do, 21.1.10, 6:55): zeitzahm

Aus der Zeit und damit der Welt gefallen. So unser beider Empfinden, die fortgesetzt so nachtaktiv sind wie die Rättlein. Das Empfinden der Zeit: Leerläufe, tote Zeit, Dämmerperioden. Gespräche. Zeit kann man nicht planen, sie läuft in ihr Häuschen, häuft darin kuschliges Heu. Sie kuscht, weicht aus, nicht ab. Ist sie zuende, wenn man tot ist? Oder ist sie tot, wenn man zwischen Anfang und "Ende neu" (Einstürzende Neubauten) in der Fuge des Niemandslandes verharrt? Überlegungen. Gemeinsam, zweisam, zeitsam, zeitzahm.

Keine Zeit für Kunst, denn die Kunst ist eine Zeitformfrage, ein gedachtes Futur Zwei. Ein Gewesenes in der Zukunft. Kunst kommt vom Werden. Geworden, fertig, ist sie keine Kunst mehr. Keine Kunst für Zeit ... ihre Ewigkeitsansprüche und -projektionen. Poesie als Projektil, noch im Lauf ...



Unwillig ein Konzert der Afro Cuban Jazzband angehört und dann im Artikel darüber nachgedacht, was Zeitverlauf, das Medium der Musik, für das Musikstück selbst, den "Track", einerseits und seine Einordnung in einen historischen und damit zeitlichen Kontext andererseits bedeutet. Was rät die Gegenwart der Vergangenheit? Kann man aus Zukunft lernen? Natürlich viel zu philosophisch für eine Jazzkonzertrezension. Aber was soll's? Was anderes fällt mir dazu nicht ein.

Das Nick(erch)en der Rhythmen, Stolpern der Synkopen. Asynchronizität.

Zahm werden ob solchen Verlaufs. Wir sitzen vor dem Rattenkäfig und beobachten die Näschen, wie sie sich rasch entlang der Gitter und durch die Schlupflöcher schlängeln. Sie beschnuppern die hingegebene Hand, wobei sich die Rättlein dehnen, ganz lang machen, mit den Hinterläufen noch im geschützten Raum des Eben, das Sicherheit bietet, weil es fluchtrevolutionär das Gleich sein kann. Inmitten das Tier, bebend vor Aufregung und Neugier.

Erst wenn wir so zahm werden, haben wir Zeit.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Di, 19.1.10 (Mi, 20.1.10, 6:55): Gitternester

In der Zoohandlung wie im Zoo Tiere schauen. Auf der Suche nach Husky-Ratten, sind aber ausverkauft. Bei den Exoten stattdessen Bartagamen beobachtet, wie sie in flinker Bewegung plötzlich innehalten und erstarren, in den ver-rücktesten Posen. Und ausschauen, als schauten sie einen prüfend an. "Oder rauchen Zigarre", wie Lilly assoziiert.



Frage mich, ob diese Erstarrung aus musternder Neugier erfolgt oder um sich gegenüber mutmaßlichen Fressfeinden tot zu stellen. Die Tiere verharren oft minutenlang so, als säßen sie Modell, wollten sich malen lassen.

Einen Käfig gekauft für die noch nicht vorhandenen Ratten, nebst allerlei Zubehör. Gitternestbaureflex. Seit soundsoviel Tagen, Wochen, Jahren "Gefangener meiner selbst", jetzt wird das in eine Volière projiziert. Neue Heimat.



Abends dann studiert Lilly Kleinanzeigen, entdeckt abzugebende Rattenkinder, sechs Wochen alt. Wir fahren spontan mit dem Bus nach Neumühlen-Dietrichsdorf – unweit von der Stadtbüchereizweigstelle, wo ich als Kind rattig in den Zeilengittern mich vergrub, Neste dem Geist bauend. Blubb.

Der ruhige Rattenhirte hat ein ganzes eigenes Zimmer für seine Schützlinge. Man sieht ihm an, wie schweren Herzens er sich von den Tierchen trennt. Er verabschiedet sie schnauzenlippstippelnd: "Mach's gut!" Und noch Tipps, was sie besonders gerne fressen. Lou und Lo schlüpfen in unseren Pappkarton. Verängstigte Wesen. Als wir sie zuhause in den Käfig setzen, dies mitsamt Karton. Zögerlich schauen sie zwischen den dort provisorischen Nestbauten hervor. Am Ende siegt die Neugier - oder der Mut.

Sie verschwinden im Häuschen. Drinnen hört man sie rascheln und schaben. Später am Abend, eingangs zur Nacht, werden sie aktiver und wagen sich auf Expeditionen. Entdeckungsreisen zu den neuen Ufern Trinkflasche und Fressnapf, dabei immer den fluchtartigen Rückweg im Kopf. Planende Flüchtlinge. Nachts hocken wir im Dunkeln vor dem Käfig. Lou ist das keckere Rattenweibchen. Sie erkundet den Weg zum Fressnapf, schickt dann aber die scheuere Lo vor, um Körner ins Häuschen zu schleppen. Darin eifriges Nagen. Manchmal kommen sie ans Gitter ihres neuen Nestes und schnuppern, nehmen menschliche Witterung auf. Sie gehen dabei gleichsam ökonomisch vor. Sie verharren nur so lange wie unbedingt nötig in der Fremde. Von der zweiten Käfig-Etage flugs wieder zurück ins Versteck, aus dem sie die Neugier aber bald wieder treibt.

Erkundungen des Gefängnisses Ich - beiderseits der Gitter.

Ich bin wie Lo, schüchtern und nicht wirklich überzeugt von der bohrenden Neugier in mir, Lilly eher wie Lou, die ihr vor- und umsichtig Leckereien aus der Hand frisst, dabei den Leib gestreckt, um schnell wieder im Häuschen zu verschwinden. Verzehr im Versteck.

Wunder der Natur, wie sie all diese Verhaltensprogramme entwickelt hat, Routinen, um dieses seltsame Unternehmen Leben, also sich selbst zu überleben. Das Nest ist der Fluchtraum. Die Finsternis das Schützende.

Jetzt, früh morgens, fortgesetzt dunkel, verstummt das Knistern und Rascheln hinter Gittern. Und auch hier sind die Kassiber geschrieben und im heimelichen Heu (des Netznestes) sorgsam vergraben. Morgen lesen wir weiter in diesen Knopfaugen, diesen Näschen mit zitternden Tasthaaren.

Plötzlich kann ich das Leben riechen. Und die Gitter sind das schützende Nest, das Basislager. Morgen machen wir uns wieder auf, notdurftgedrungen, also angefüllt mit Neugier, die stärker ist als die Angst.

Dienstag, 19. Januar 2010

Mo, 18.1.10 (Di, 19.1.10, 6:30): Leinwand 2

Natürlich bin ich betrunken, man riecht's aus meinem Maulaffen Feilhalten der Rührung. Doch es ist nicht die Überdosis Wein, die mich weinen macht. Wir schauen "Mach's noch einmal, Sam", Woody Allens Hommage an "Casablanca" und andere Abschiede, die aufbrüchig sind.

Meine Tränen schon in der Eingangssequenz ob der Gefühlsgewalt, die Leinwand entfachen kann, muss ich ihr nicht verhehlen, ihr, die sich mir an- und armnimmt. Später, als ich an dem Film, der Hommage der Hommage, bastele, es Sam noch einmal nachmache, wenn ich im Hinterhof iPhone-Filme mache, verschneit, verliebt, verzückt, verzottelt, ist sie eifersüchtig auf das Projekt. Sie leidet wie ich daran, dass ich zuweilen im Text verschwinde.

Halten wir das aus?



Uns bleibt Paris, das G. des Walds. Wir begegneten uns auf provisorisch projiverzierten Leinwänden, jetzt spannen wir sie auf, auf dass sich darauf nichts projiziert als Wir, Rick und Lilly ...

Während ich daran arbeite, sorgt sie sich um das Ratpack, das wir morgen einswingen werden. Martin und Sinatra, Dean und Frank. Wenn sie geht, tanzt sie, elfisch ihren Schritt auf der zehengängerischen Fußnote, ohne die jeder Text von mir einsam, verwaisenhöflicht wäre.

Eben noch küsse ich sie wach und in den Schlaf. Sie weiß um solchen Verzicht. Sie weiß, was ich texte und tanze. Soll ich darob ruhig werden, an diesem Tag, unverwirrt? Der neue, der neunzehnte ist schon da. Und jetzt, zwei Wände, zwei Zeilen, zwei Sekunden Film weiter schlafe ich mit ihr ein.

Unsere Kinder schnüffeln am Text. Und an dem "Beginn einer wunderbaren Freundschaft" ("Casablanca") aus Schneelicht und Verzicht.

So, 17.1.10 (Di, 19.1.10, 4:06): Leinwand 1

Der Tag ist das unschuldig weiße Leichentuch, das die Nacht kleidet. Ins Bett, als es aufdämmert, daraus, als es verdämmert. Vom trägen Auge nicht wahrnehmbar - nur weil das Auge träge ist, träger übrigens, überlistbarer als das Gehör, ist Kino möglich – ist es die Hälfte der Zeit im Kino dunkel. Licht ist Arbeit, Traumarbeit. Und Trauerarbeit.

Lillys Trauer, dass ich nicht wach werde. Ihre Küsse auf das nachtbleiche Tuch, meine Leinwand.

Auf der vor der surrealen Endzeitfantasie "1984" die erträgliche Leichtigkeit des Seins in "Stille Tage in Clichy". (Forcast: "Uns bleibt immer Paris"; uns bleibt immer der Waisenhof; uns bleibt immer die Rat(ten)hausstraße).

Text aus Screenshots:



Im Bad der Lilien Verse aus Lippenstift auf den Kacheln. Text nackt in der Nacht.



Fußnoten der Leidenschaft. Sie dirigiert Paganini – mit den Zehenspitzen.



Carl küsst Clichy. Inmitten des inszenierten Klischees klingt es nach jener Sünde, die Tugend ist (Auf(er)stehen mit den Vögeln).



Das Umbeinen der Verse im nicht geschriebenen Gedicht, das sich mir träumt als Prosa, die über die Zeilenenden hinweg eilt. Später, layoutend schlechte Werbetexte, fällt mir auf und ein, dass jeder Text, im Hirten des Layouts in Zeilen gebrochen, verst. Als würden wir, die uns Verdichtenden, dahin kommen, dass aus dem Kontinuum der Zeit(verschiebung) Verse dadurch entstehen, dass wir nicht über den Blattrand malen (layouten) (schreiben). Das Papier, noch weiß wie die Leinwand, als Fläche der gesundenden Begrenzung, als Abbruchkante der Sätze/Verse über dem Abgrund.

Sonntag, 17. Januar 2010

Sa, 16.1.10 (So, 17.1.10, 5:23): Rendezvous der Freunde

Grünkohl(kochen)essen und Reinfeiern mit "den lieben Freundinnen und Freunden". Alle eingeladen, fast alle gekommen. Außer den entschwundenen (). Im Feierabendheim Rathausstraße, von dem C.S. meint, es habe ein bisschen was von dem FDJ-Club auf der Grieser-Exkursion in die Ex (DaDaR) neunzehnhundert-x-undachtzig. Anlass, wie A.B. bonmotiert, meine Zugehörigkeit ab jetzt zur "Gruppe 47". Um 24 Uhr angestoßen ganz klassisch mit Schaumwein auf den Jubeltag im FDJ-Heim "Rathaus", beim Almauftrieb am "Kleinen Kuhberg".

Es frühlinkt. Glückwünsche.

C.S. zitiert Honecker beim Staatsratsempfang: "Ich bitte zu trinken!". Wir trinken. Und wo das irgendwo zwischen 70er-Partykeller, dem Empfang im besagten FDJ-Heim, an der Heimorgel DJ iTunes, am heimischen Herd "Ögyr kocht", und der 90er Partykultur der für Loveparades und Rausch zu spät Gekommenen, die brav bibbernd auf dem Gletscherfeld vor der Balkontüre rauchen, changiert, ist es doch nicht mehr, sondern etwas anderes als die Summe dieser Klischees. Mir fällt schon am Nachmittag beim Einkaufen der Bierbatterie und hochgeistiger Getränke Max Ernsts Gemälde von 1922 ein: "Rendezvous der Freunde" (heute Museum Ludwig, Köln):



Beschluss bei der Bierbeförderung: Ich lichte sie alle so ab: In der Mitte selbstinszeniert der, dessen Freunde sie und damit einander gemeinsam sind, der "Dadamax". Über ihm die Querschnittsexplosionszeichnung eines Auges, dessen Hornhaut konzentrische Keplersche Weltkreise tangieren. Oder sind es doch noch die Ptolemäischen mit der sonnenfinsteren Erdung im Mittelpunkt?



In der iTunes-Playlist fehlt eigentlich der Song von den Einstürzenden Neubauten, wo Blixa Bargeld (vgl. Gemälde "Rendezvous der Freunde") singt: "Doch die Mitte meiner Kreise bin ich nicht." D'accord. Seit die Sonne der Mittelpunkt des Universums ist, das in jedem und in jeder von uns seither konzentrisch tost, bin ich, der Jubiliar und Grünkohlgott, der Brennpunkt einer Ellipse, umrundet von den Freunden, mal im Aphel, mal im Perihel. Und der andere Brennpunkt dieser selbst ausfgespannten Ellipse ist Lilly. Wer bei mir gerade im Aphel ist, steht bei ihr im Perihel - und umgekehrt. Namentlich G.L.S., die sich an das Apogäum heranschmeißt, indem sie dem Perigäum ihre Gravitation eröffnet.

Schwerefelder in Levitation.

Und mitten drin in der Fotografie des "Rendezvous der Freunde", das ich eigentlich auf der immer mitgeführten iPhone-Kamera (und als Material hier fürs di.gi) "Gruppe 47"-mäßig nachstellen wollte, dann aber doch davon Abstand nahm (in den Aphel geriet und ging), der Gedanke, ich könne hier, im di.gi.arium, besser dichtend auf den Auslöser drücken. Was nicht minder schwerfällt, weil ich dazu nicht minder inszenieren müsste wie für die Spektralanalysekamera.

Literatur nämlich ist kein bildgebendes Verfahren, eher ein bilddeutendes. Das Gedicht ist der 9mal3-Abzug, nicht aber die Kamera. Tags zuvor hatte ich das Wort "Semaphor" geträumt. Geweckt zum Glücksglühwurstkauf auf dem Wochenmarkt (mit Lilly vor jener Fleischtheke geglückt geknutscht, an der ich mich einst in Verzweiflungspose gedichtgeknippst hatte), noch schlaftrunken hatte ich es gewikit: "optischer Zeichengeber" ... Winkalfabet ...

Zwischen den Winken der Freundinnen und Freunde, verstohlen bis "hosen'türl'offen", schlendere ich mich hin und her zwischen Heim und Herd, die Kochnische meiner Freundschaft. Und beobachte beglückt, wie sich die Rendezvous der Freunde ereignen. Wer mit wem plaudert, wer wen abtastet, startrekkisch scannt. A.B. schreibt in Glückwunschmail, dass sie ungern "zu dem Harem" zähle. Ich indes monadisch monogam, lillylytisch. Phrygisch, nicht mehr lydisch kirchengetonartet.

Hätte ich dazu Bildmaterial sammeln wollen, dann höchstens mit der iPhone-Web-Weberknecht-Cam, wie die Bewegungen der Planeten um die zwei Sonnen sind, Lilly und mich.

Im Geschwirr der Gespräche, dem Netzwerken, ziehe ich mit ihr den Stecker, verschwinde im (nicht hinter dem ;-) Text und hinter dem Kühlschrank, wo wir uns küssen. Inniges der Himmelsmechaniken. So leiblich, bin ich dennoch teilweise noch der theoretische Physiker, der gebloggte Nerd, der Statistik der dynamisch-dialektischen Statiken betreibt. Wer geht, wer bleibt? Was geht, was bleibt? Zugabezettbe: "drei-undvierzig".

Semaphore, Winkelemente im FDJ-Heim "Rathaus".

D.K. rückt mit einem ganzen Paket aus Datenträgern vor auf Perihel, ohne über Aphel zu gehen, zieht nicht 4000 MB ein, sondern aus der Tacheles-Tasche. Multimediamonoply jener Links, die man setzt, wenn man jemandem wie mir Filme schenkt. Seine DVD-Sammlung hat etwas von den Mixtapes, die man früher Freunden aufnahm, um sie beim Rendezvous abzuspielen. Inszenierung von Festplattenkörperschwerkräften.

Und mittendrin fange ich semaphorische Signale auf, die in Gesichten aufflackern. Die Weichen gestellt zur Abbiegung des betrachteten Abbildes. M.L. manchmal mit diesem traurigen Blick der Desillusion, den Physiker haben, die einst neu zusammenstellen wollten, was die Welt im innersten zusammenhält, nun aber zentrifugal ankommen im Brotjob, der mit Kunst nur noch zu tun hat. H.S., eben zurückgekehrt aus dem "Du bist mein Afrika"-Korps, über den "Modder", der sich nicht nur in Kenia im Januar nach starken Niederschlägen bildet, mit den traurigen Augen hinwegblickend, als streife der Blick nur zum Horizont, um ihn als Tellerrand zu begreifen, hinter dem die Welt doch bloß eine Scheibe ist, gefolgt vom Abgrund. Und E.E., die ostwärts geht, weil dort die Sonne wieder aufgeht, für Klavki im Aphel R., für mich (in Nachfolge) im Perihel G.

Im derart behindertengerechten Klo meines Wassers abschlägig werdend überkommt mich plötzlich dieser seltsame Mix der elliptischen Gefühle: Ich bin den Freunden nah, indem ich mich von ihnen entferne - und (wie immer) umgekehrt. Und all das in dieser FDJ-Stube. "Bau auf, bau auf ...!" Ich singe leise, während ich rieselschwerefeldere, dies olle Lied. Es heißt nichts, es bedeutet nichts. Und deshalb sagt es mir was im Rendezvous der Freunde. (E.N., Blixa Bargeld: "Was ist, ist, was nicht ist, ist möglich ...")

Samstag, 16. Januar 2010

Fr, 15.1.10 (Sa, 16.1.10, 5:50): Besser geht’s nicht als normal

In "Equus - Blinde Pferde" nach dem Theaterstück von Peter Shaffer, heute geschaut, will der Psychiater nicht mehr gesundbeten, nicht mehr "huldigen dem Gott der Gesundheit und des Normalen". Die alte Frage danach, was eigentlich ver-rückt, ob nicht das Normale lediglich ein Abbauprodukt von Leidenschaft, Wahnsinn und ähnlich Ekstatisch-Extremem sei.

Auch in "Besser geht's nicht" ("As Good as It Gets"), dort komödienhaft kassibert, sind die "Schrägen" die eigentlich Menschlichen, zeigt sich also das Normale eher als abgespeckte OEM-Version des Betriebssystems Leben.

Vertraute Gedanken, fast schon Allgemeinplatzpatronen, und immer hart am Rande einer posenhaften Selbstinszenierung, auf keinen Fall "normal" sein zu wollen. Sondern ausgefallen, aus der Welt herausgefallen. Wie etwa der weiter mit Lilly einträchtig zelebrierte ausgefallene Nachtschlaf, dessen Beginn sich mehr und mehr in den schon nicht mehr so frühen Morgen verschiebt. Anflüge von Kreativitätsschüben ab ca. 5 Uhr, dafür um 17 Uhr eine in Dämmer versetzende Müdigkeit. Ein ganz normaler 12-Stunden-Rhythmus also, nur ver-rückt.



Ver-rückt: der ganz normale Schneeschuhpfad bei der Heimkehr

Wogegen nichts einzuwenden wäre, ginge es nicht auch darum, Liebe und Kunst in einem "normalen" Leben überdauerungsfähig zu verankern. Doch so normale Tätigkeiten wie Kochen (7 kg Grünkohl heute für morgen) fallen schwer, zeitlupen, wenn ich rührend vor dem Topf stehe (was eventuell rührend ausschaut): Und zudem etwas lustlos, was solche Pflege der Welt und ihrer Kontakte betrifft. Würde lieber noch tiefer aus ihr herausfallen, wissend, dass das nichts einfacher, sondern schwieriger machen würde.

Tausendmal so gedacht und gemacht, also eigentlich ganz normal hier - für den Fortgang des Projekts di.gi.arium2010. Die erste Krisis des gezwungen fortwährenden Schreibens ergab sich 2000 auch schon auf der Hälfte des ersten Zwölftels. Und wiederholte sich dann stetig. Darauf muss ich mich einlassen. So ein Projekt funzt nicht "normal". Genügsam mit diesem Gedanken ins Bett, leicht irr grinsend (weil an Arno Schmidt und das "Wiehern des Gehirntiers" denkend).

Freitag, 15. Januar 2010

Do, 14.1.10 (Fr, 15.1.10, 4:58): Schneestopfpilz

Kein weiterer Neuschnee, somit altert der Schnee von gestern vor der Tür. Meistenteils ist er geräumt zu den Walzen am Straßenrand, die auch bei kommendem Tauwetter noch wohl ein Woche ausharren werden. Oder überleben.

Auf dem täglichen Weg zum SKY hügelt in der Waisenhofstraße noch rund 50 Meter unge(t)räumter Schneepfad, durch den man stapfen muss. Oder in Halbschuhen unzureichend stiefeln. Beides nur deshalb, weil die Worte "stapfen" und "stiefeln" so schön klingen, gerade wenn Lilly sie spricht.

Da durch stiefelstapfend (oder stoffelnd) das Gefühl, als stopfte man den Schnee in eine Pfeife. So der Schalleindruck des Knirschens des Halbgefrorenen. Und dabei fällt mir etym-mäßig ein: Stopfpilz. Ein großmütterlicher Gegenstand, den es nicht mehr gibt, weil niemand mehr Strümpfe stopft. Sind sie zerschlissen, wirft man sie weg, statt sie zu stopfen. Indes, so ergibt Google-Bildersuche, gab es von AEG sogar mal einen beleuchteten Stopfpilz. Etwas inwändig Lichtes also.



Irgendwie rührend. Wie überhaupt alle Schneestöbergeschichten der letzten Tage. Etwa die, die ich Lilly aus der Lou-Salomé-Biografie am Skype vorlese. Dass die junge Lou ihren Glauben an Gott verlor, weil ein Schneemann und eine Schneefrau weggetaut waren, und ihr Kindergott dazu schwieg.

Das im Kopf stöbere ich durch die Schneehaufen, die der Wind gepfiffen hat. Vergängliches Daunendeckbett, knisterndes. Und die wehmütig, genauer: wehmutlos, verwehten Gegenstände betrachtend – wie diesen beleuchteten Stopfpilz.

Lawinenartig dazu wieder das Winterschlafbedürfnis, das den Mittagsschlaf ab 20 Uhr in mir notdurftet. Einen halben Tag, rund 12 Stunden beträgt mittlerweile die gut gezüchtete Zeitverschleppung (Zukunft vergänglich machen). Frühabendlich trifft Lilly im unverspäteten Zug ein, und wir stiefeln und stapfen ins warm gestopfte Häuschen. Huschende.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Mi, 13.1.10 (Do, 14.1.10, 5:05): Winterschlaf

Nichts passiert? Doch sehr viel ...

Heute praktisch den ganzen Tag verschlafen. Den Wecker als Instrument der Vor-Stellung verwendet. Im Schlaf aufgegeilt und fortgesetzt müde. Aufwachunfähig.

Um 12 auf, wieder hingelegt, um 15 auf, wieder ermattet, um 17 endlich auf. Das Licht des Tages verschlafen. Nachtschattengewächs nacktschattiert. Geduscht. Eingekauft.

Nackt, entblößt das akzeptieren, dass ich das bin. Auf den Grund gebracht darauf wichswichtigtuerisch gründelnd.

Mein hündisch ergebenes Fletschen zuweilen, wenn ich spätnachmittäglich vor dem Badezimmerspiegel stehe, die Zähne zu putzen, wenn andere abendmahlen.

Bücher sind angekommen. Zwecklos, sie zu bestellen, weil ich eh nicht mehr lese bei all dem Schreiben. Dennoch festgelesen in einer Boybiografie von Lou Andreas-Salomé. Wie wird man Schriftstellerin? Aus einem Übermaß an Fantasie. Das dampfkesselnde Gefühl, dass etwas raus muss. Daher auch der fortgesetzte Schreibimpuls trotz Schrei(b)hemmung. Beides zusammen führt zu Wissenschaft und Winterschlaf.

Nachts mit Lilly chattend Austausch der Missverständnisse, die eben dieses tiefe gegenseitige Verständnis ausmachen, so meine dialektische Theorie (zum x-ten Male Brecht zitiert: "Die Widersprüche sind die Hoffnungen", jedoch erstmals erlebt, statt nur nachgedacht). Wir inszenieren das geradezu. Und stellen fest, dass der Chat buchenswert wäre. Oder auch nicht, weil man den Augenblick dem Augenblick lassen sollte, dem Enstehen sein einbeschriebenes Vergehen nicht rauben.

Die Entsagung, die Hamlet sagt ...

Sowieso seit Tagen auf dem Heiner-Müller-Hamletmaschine-Tripp, gekürzt im Bruch einer Bierbank. Wer ist Ophelia? Ich bin Ophelias Prinzprozent. Müllers lebendiges Gespräch mit den Toten, die er als Triebkraft der Geschichte begreift. D'accord im Rekurs auf di.gestern und aktuelles Herzchen-Gedicht:

-- snip! ---

summende summe

eins und eins macht nicht zwei,
aus zwei wird eins.
ich, so sagtest du, bin auch dabei,
und ich, dass ich bin deins.

das gesagte, der gesang,
verse enden ungesagt, erahnt
im nichts aus dann und wann,
gesungen dennoch, was ihm schwant.

anfänge in den fängen, krallen
kratzaufgebäumtes männchenmädchenmachen.
wir würden nicht verhallen,
wenn wir uns kein lachen

zürnten und keine summe summten
zärtlicher der differenz.
was wurde dort, nicht hier gefunden,
ist währung einer insolvenz.

--- snap! ---

Traumgefügtes, Traumzerpflügtes und -gepflücktes. Dass man tagträumt und nachtwacht. Winterverschlafene Sprachnotizen auf dem iPhone. So verschlafen röchelnd die Stimme, dass die Silben verschwimmen. Das ausgeschrieben Ausgeschriene eilt dem nicht Aufgeschriebenen hinterher. Dichtung als Mangelverwaltung, Zettelwirtschaft, nachgeholte Revolution. Auf den Zetteln am Schreibtisch mönch-ver(sch)muste Selbstgesprächsnovizen wie "noch bis / seit her" oder "will nicht können müssen" oder "bedürfnisse nicht nur dürfen, sondern sollen". Alles verKantete Imperative. Notiert allein hier, bevor der Zettel mit der nachgerade für platt befundenen Chiffre ins Altpapier wandert, das ich fahrbestuhlt in Stockwerk Minus-Einsam-Sein befördere, dort ausleere, wobei sich die Sedimente des Altpapierkastens umkehren. Die Gegenwart von eben oben in der Tonne, etwas von vor zwei Wochen, Zigarettenschachtel, ist der letzte Auswurf, der der erste sein wird. Ausgeraucht. "Ich übergebe der blauen Tonne die Schriftsedimente des ..."

Er- und unverdichtet die meisten Zettel und so viele Viertelstunden, im Winterschlaf kaum unterscheidbar zwischen bloß geträumt und wach verschlafen.

Guten Morgen, sag' ich der Guten Nacht. Und DIR.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Mo, 5.7.10 (Di, 6.7.10,...
Dies Dingsallerdings hier, das di.gi.arium, hat sich...
oegyr - 6. Aug, 16:04
Dieser Blog ist umgezogen
Liebe Leserinnen und Leser, Das di.gi.arium 2010 ist...
oegyr - 21. Jul, 23:45
Di, 20.7.10 (Mi, 21.7.10,...
Weiter an der Wordpress-Installation. schwungkunst.de...
oegyr - 21. Jul, 23:32
Mo, 19.7.10 (Mi, 21.7.10,...
Bin irgendwie offline wegen der Provider-Umstellung...
oegyr - 21. Jul, 22:52
So, 18.7.10 (Mo, 19.7.10,...
Die Netznische, in die man postet - und die erweiterte,...
oegyr - 19. Jul, 08:54

Suche

 

Status

Online seit 6918 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Nov, 02:02

Credits


d.day - keine nacht für niemand
journaille
lyrik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren