Di, 2.2.10 (Mi, 3.2.10, 15:45): Requiem für Karstadt
Bei Karstadt ist Räumungsausverkauf. Alles muss raus, weil die Filiale geschlossen wird.

Besuch wie auf einem Friedhof. Offene Warengräber. Alles ist reduziert. Die Waren wirken wartend und wertlos. Niemand willl sie haben.

Streunende mögliche Interessenten. Leichenfledderer. Eine Atmosphäre des Abbruchs. Eine einsame Werbefrau spricht ins Mikrofon. Sie bittet ins Warme. Draußen Schnee. Hier die Warenwunderwelt - entzaubert. Abwrackprämien.

Selbst als nicht gerade Freund des Kapitalismus, des entfremdeten und entfremdenden Warenverkehrs, ergreift mich ein Gefühl von Trauer. Zumindest Melancholie angesichts geleerter Regale, die nun auch nutzlos sind. An einigen Vitrinen kleben Zettel: "Reserviert". Auch das Interieur wird abgewrackt.

Das Warenparadies - erst jetzt, wo die Verkäufer mit Kistenwagen darin umherhuschen und die Schnäppchenjäger unschlüssig Früchte vom Boden aufheben, hat es den Hauch von Paradies.

Es ist nicht mehr Lüge, kein Betrug mehr. Es hat sich entlarvt, indem es scheitert, verschwindet. Der Warentraum ist erst Traum, als er jetzt ausgeträumt ist. Erwachen in sich leerenden Hallen.

Einsam rollen noch die Treppen, spiegeln sich in sterbendem Glanz der Tempelfassaden. Dies ist Babylon, untergehend.

Und die Innenarchitektur wird sichtbar, wo sie sich leert von all dem Flitter und Tand, dem Nutzlosen. Ihres Zwecks beraubt dehnt sie sich ins Schöne, ins Wahre. Aus dem Konsum wird Kunst.

Ein sanftes Requiem, die Schnäppchenansagen. Das Säuseln der Muzak, die zum Lied wird, orphisch, unterweltlich. Das Sein hatte das Bewusstsein überwuchert, jetzt tritt es zutage.

Kaufhaus, Laufhaus. Erst jetzt ist es Tempel. Verlust sein Gewinn. Die Hallen geheiligt.

Was wird aus ihnen? Wenn das Haus ganz entleert ist, müsste man da nochmal Kunst reinechoen, wispernde Texte durch die Gänge schleichen lassen. Ich sehe Streichquartette auf den Rolltreppen sitzen, Miniaturen spielend, die genau eine Rolltreppenfahrt dauern. 1. Satz vom Erdgeschoss in den ersten Stock, 2. Satz vom ersten in den zweiten usw.

Trunkene, die sich in die Regale legen, gebettet auf den verlassenen Pritschen der Waren. Ein Schlafhaus für eine lange Nacht der Poesie.

Am Eingang gibt es Bockwürste aus einem dampfenden Kessel. Hartes Brot der Verspätung für Verspätete.

Prozentzeichen wie Kainsmale. Redux. Requiem. Ruhe, und endlich Ruhe.


Besuch wie auf einem Friedhof. Offene Warengräber. Alles ist reduziert. Die Waren wirken wartend und wertlos. Niemand willl sie haben.

Streunende mögliche Interessenten. Leichenfledderer. Eine Atmosphäre des Abbruchs. Eine einsame Werbefrau spricht ins Mikrofon. Sie bittet ins Warme. Draußen Schnee. Hier die Warenwunderwelt - entzaubert. Abwrackprämien.

Selbst als nicht gerade Freund des Kapitalismus, des entfremdeten und entfremdenden Warenverkehrs, ergreift mich ein Gefühl von Trauer. Zumindest Melancholie angesichts geleerter Regale, die nun auch nutzlos sind. An einigen Vitrinen kleben Zettel: "Reserviert". Auch das Interieur wird abgewrackt.

Das Warenparadies - erst jetzt, wo die Verkäufer mit Kistenwagen darin umherhuschen und die Schnäppchenjäger unschlüssig Früchte vom Boden aufheben, hat es den Hauch von Paradies.

Es ist nicht mehr Lüge, kein Betrug mehr. Es hat sich entlarvt, indem es scheitert, verschwindet. Der Warentraum ist erst Traum, als er jetzt ausgeträumt ist. Erwachen in sich leerenden Hallen.

Einsam rollen noch die Treppen, spiegeln sich in sterbendem Glanz der Tempelfassaden. Dies ist Babylon, untergehend.

Und die Innenarchitektur wird sichtbar, wo sie sich leert von all dem Flitter und Tand, dem Nutzlosen. Ihres Zwecks beraubt dehnt sie sich ins Schöne, ins Wahre. Aus dem Konsum wird Kunst.

Ein sanftes Requiem, die Schnäppchenansagen. Das Säuseln der Muzak, die zum Lied wird, orphisch, unterweltlich. Das Sein hatte das Bewusstsein überwuchert, jetzt tritt es zutage.

Kaufhaus, Laufhaus. Erst jetzt ist es Tempel. Verlust sein Gewinn. Die Hallen geheiligt.

Was wird aus ihnen? Wenn das Haus ganz entleert ist, müsste man da nochmal Kunst reinechoen, wispernde Texte durch die Gänge schleichen lassen. Ich sehe Streichquartette auf den Rolltreppen sitzen, Miniaturen spielend, die genau eine Rolltreppenfahrt dauern. 1. Satz vom Erdgeschoss in den ersten Stock, 2. Satz vom ersten in den zweiten usw.

Trunkene, die sich in die Regale legen, gebettet auf den verlassenen Pritschen der Waren. Ein Schlafhaus für eine lange Nacht der Poesie.

Am Eingang gibt es Bockwürste aus einem dampfenden Kessel. Hartes Brot der Verspätung für Verspätete.

Prozentzeichen wie Kainsmale. Redux. Requiem. Ruhe, und endlich Ruhe.

oegyr - 3. Feb, 16:21
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