Sa, 12.6.10 (So, 13.6.10, 4:13): Die Grillen des Verrisses
Frühabendlich Grillen, das Fleisch vertrocknend auf dem Rost. Wieder diese unbedingte Melancholie, dass alles vergeht, in das sich mein Zahngereih schlägt. Eine Art Requiem mit dem noch blutigen ("ein Steak, noch ...") Wein des Abendmahls im Glas.
("Grilling Fields" nannte das C.S. mal wortspielend.)
In der Stimmung (sehnsüchtig nach der heute rar werdenden Lilly) also aufgemacht, weiter Wunden im Fleisch und Kreuznägel aufzuspüren. Im Prinz Willy kurz mit Wirt Willy innig gesprochen übers alt Werden, über Frauen, also über Kunst. Dann das Ein-Mann-Duo Groundswimmer zur Club-Mate, die ich strohhalme, um die Wachheit zum Zwecke der Wahrheit coffeinös aufrecht zu erhalten (dämmere dennoch). Nach fünf Liedern (trotzend dem Motto "Love & Peace & Rock'n'Roll") Beschluss: Verriss.
--- snip! ---
Folk-Pfade in Jesus-Latschen
Groundswimmer als Ein-Mann-Duo im Prinz Willy.
Kiel. Oliver Di Iorio, durch den krankheitsbedingt ausgefallenen Klaus Pollinger nur die eine Hälfte des Münchner Duos Groundswimmer, erfüllt so ziemlich alle Klischees des Singersongwriters aus dem großen Schmelztiegel des Folk-Rocks: Ein langhaarig bezopfter Mann, eine (meist zu laute) akustische Gitarre, eine (starke, in Erinnerung bleibende) Stimme, nach eigenem Bekunden "Jesus-Fan" und nicht nur wissend, sondern auch verlautend, dass "Lieder zu spielen ein tolles Mittel ist, romantisch zu werden".
Entsprechend hört sich das im Prinz Willy an. Wobei Di Iorio durchaus kein lagerfeuriger Leisetreter ist, das Klischee immerhin bedient er nur selten. Meist reibt er die Gitarre und einmal auch die Mandoline recht ruppig, nutzt mit gedämpftem Saitenschlag auch ihr perkussives Potenzial. Das Attribut Rock ist seinem Folk also angemessen, bringt manche Frische in das ansonsten einigermaßen abgestandene Genregeklapper. Es sind die englischen Lyrics, die Abzüge in der Originalitätsnote gäben, wenn denn eine solche zu vergeben wäre. Das fängt schon beim vermeintlich "einzigen Liebeslied" "Forgive Me" an: "Honey, don't you know, I need you!" Nunja, derlei soll in Liebesdingen öfter vorkommen. Auch, dass "sich die Weltbevölkerung im Krieg befindet" und ergo Di Iorio "dazu auch was zu singen hat", mutet etwas blumenkindisch an - vom ungestümen Seelchen im Jesus-Liebeslied "Holy Man" lieber ebenso geschwiegen wie vom Depeche Mode-Cover "Personal Jesus".
Indes, es gibt auch Abzweigungen von diesen jesus-ausgelatschten Folk-Pfaden. Der Konzert-Opener "Driftin' Alone" fällt angenehm auf durch seinen wuselflinken, rockigen Antritt. Mit "Blind" schaffte es das Duo zurecht auf den US-amerikanischen Sampler "Acoustica Vol. 21", spielt der Song doch elegant mit den Masken des Seins, denen man sich durch bewusste Blindheit entziehen kann. Auch das moritatenhafte "Of The Wall" schlägt der Balladenmonotonie manches intelligente, gleichnishafte Schnippchen, wenn darin, so Di Iorio, "der allgemeine Schönheitswahn" dadurch kritisiert wird, dass der Song einen Mann beschreibt, der sich nicht für die probate Farbdeko für die Wände seines goldenen Käfigs entscheiden kann. Als gut gecovert darf man ferner "Rise" von Pearl Jam-Frontman Eddie Vedder und Beatles' "I Wanna Hold Your Hand" auf Folkisch bezeichnen.
Über solchen gelungenen Stücken vergisst man dann auch gerne das kaum mehr als trällernde Sommerliedchen "Smile", Ohrwurmtiefbohrungen mit Kazoo "zum Mittakteln", wie der Barde aus Bayern das Mitklatschen putzig nennt, oder das allenfalls kirchentagstaugliche "Save My Soul", und erteilt auch dem Ein-Mann-Duo schon mal das folkige Freischwimmerzeugnis.
--- snap! ---
Vielleicht nur eine meiner Grillen, dennoch sich im Verlauf verfestigend. Die Zeilen schon einzeln vorgedacht. Aber wie leid mir das immer tut, solche Wahrheit dichten zu müssen. Da ist einer auf der Bühne, zumal mit "religio", also allein dadurch schon mal sympathisch. Aber nee, das kommt so abgründisch ausgetreten daher, da muss ich die Leviten leseschreiben.
Aber immer der Versuch, sozusagen Erbarmen, das Gute doch auch zu nennen. Selbst bewusst meiner dichterischen Fehlschläge, dieses überhaupt ganzen Komplexes von Scheitern, so eine grund-verschwommene Solidarität. Dagegen dann dies blöde Berufsethos vom Journalisten und dessen unbestechlichen Urteil. Hin&her gerissen statt hin&weg. Auf dem Rad nachhause noch Kampf. Dann losgeschrieben und schauen, was es wird. Leider Verriss. Denn ich wusste, was ich tat. Dem Juso-Jesus-Latschenden innerlich dennoch Abbitte leistend.
Schröcklich, wenn die Dichtung sich zuweilen der Wahrheit verpflichtet fühlt. Einer Wahrheit, die sie nur weiß, aber eben nicht ahnt, noch weniger fühlt.
Trunken davon und vom potenzierten Abendmahlsnachtwein hernach noch vorberichtend Loblügen dem Kieler-Woche-Krusenkoppel-Festival "gewaltig leise" einbeschrieben.
Melancholie darauf im grauen Morgen, stehend, zitternd, rauchend auf dem Balkon. Blick nach Osten, nach G., zur keimenden Sonne.
("Grilling Fields" nannte das C.S. mal wortspielend.)
In der Stimmung (sehnsüchtig nach der heute rar werdenden Lilly) also aufgemacht, weiter Wunden im Fleisch und Kreuznägel aufzuspüren. Im Prinz Willy kurz mit Wirt Willy innig gesprochen übers alt Werden, über Frauen, also über Kunst. Dann das Ein-Mann-Duo Groundswimmer zur Club-Mate, die ich strohhalme, um die Wachheit zum Zwecke der Wahrheit coffeinös aufrecht zu erhalten (dämmere dennoch). Nach fünf Liedern (trotzend dem Motto "Love & Peace & Rock'n'Roll") Beschluss: Verriss.
--- snip! ---
Folk-Pfade in Jesus-Latschen
Groundswimmer als Ein-Mann-Duo im Prinz Willy.
Kiel. Oliver Di Iorio, durch den krankheitsbedingt ausgefallenen Klaus Pollinger nur die eine Hälfte des Münchner Duos Groundswimmer, erfüllt so ziemlich alle Klischees des Singersongwriters aus dem großen Schmelztiegel des Folk-Rocks: Ein langhaarig bezopfter Mann, eine (meist zu laute) akustische Gitarre, eine (starke, in Erinnerung bleibende) Stimme, nach eigenem Bekunden "Jesus-Fan" und nicht nur wissend, sondern auch verlautend, dass "Lieder zu spielen ein tolles Mittel ist, romantisch zu werden".
Entsprechend hört sich das im Prinz Willy an. Wobei Di Iorio durchaus kein lagerfeuriger Leisetreter ist, das Klischee immerhin bedient er nur selten. Meist reibt er die Gitarre und einmal auch die Mandoline recht ruppig, nutzt mit gedämpftem Saitenschlag auch ihr perkussives Potenzial. Das Attribut Rock ist seinem Folk also angemessen, bringt manche Frische in das ansonsten einigermaßen abgestandene Genregeklapper. Es sind die englischen Lyrics, die Abzüge in der Originalitätsnote gäben, wenn denn eine solche zu vergeben wäre. Das fängt schon beim vermeintlich "einzigen Liebeslied" "Forgive Me" an: "Honey, don't you know, I need you!" Nunja, derlei soll in Liebesdingen öfter vorkommen. Auch, dass "sich die Weltbevölkerung im Krieg befindet" und ergo Di Iorio "dazu auch was zu singen hat", mutet etwas blumenkindisch an - vom ungestümen Seelchen im Jesus-Liebeslied "Holy Man" lieber ebenso geschwiegen wie vom Depeche Mode-Cover "Personal Jesus".
Indes, es gibt auch Abzweigungen von diesen jesus-ausgelatschten Folk-Pfaden. Der Konzert-Opener "Driftin' Alone" fällt angenehm auf durch seinen wuselflinken, rockigen Antritt. Mit "Blind" schaffte es das Duo zurecht auf den US-amerikanischen Sampler "Acoustica Vol. 21", spielt der Song doch elegant mit den Masken des Seins, denen man sich durch bewusste Blindheit entziehen kann. Auch das moritatenhafte "Of The Wall" schlägt der Balladenmonotonie manches intelligente, gleichnishafte Schnippchen, wenn darin, so Di Iorio, "der allgemeine Schönheitswahn" dadurch kritisiert wird, dass der Song einen Mann beschreibt, der sich nicht für die probate Farbdeko für die Wände seines goldenen Käfigs entscheiden kann. Als gut gecovert darf man ferner "Rise" von Pearl Jam-Frontman Eddie Vedder und Beatles' "I Wanna Hold Your Hand" auf Folkisch bezeichnen.
Über solchen gelungenen Stücken vergisst man dann auch gerne das kaum mehr als trällernde Sommerliedchen "Smile", Ohrwurmtiefbohrungen mit Kazoo "zum Mittakteln", wie der Barde aus Bayern das Mitklatschen putzig nennt, oder das allenfalls kirchentagstaugliche "Save My Soul", und erteilt auch dem Ein-Mann-Duo schon mal das folkige Freischwimmerzeugnis.
--- snap! ---
Vielleicht nur eine meiner Grillen, dennoch sich im Verlauf verfestigend. Die Zeilen schon einzeln vorgedacht. Aber wie leid mir das immer tut, solche Wahrheit dichten zu müssen. Da ist einer auf der Bühne, zumal mit "religio", also allein dadurch schon mal sympathisch. Aber nee, das kommt so abgründisch ausgetreten daher, da muss ich die Leviten leseschreiben.
Aber immer der Versuch, sozusagen Erbarmen, das Gute doch auch zu nennen. Selbst bewusst meiner dichterischen Fehlschläge, dieses überhaupt ganzen Komplexes von Scheitern, so eine grund-verschwommene Solidarität. Dagegen dann dies blöde Berufsethos vom Journalisten und dessen unbestechlichen Urteil. Hin&her gerissen statt hin&weg. Auf dem Rad nachhause noch Kampf. Dann losgeschrieben und schauen, was es wird. Leider Verriss. Denn ich wusste, was ich tat. Dem Juso-Jesus-Latschenden innerlich dennoch Abbitte leistend.
Schröcklich, wenn die Dichtung sich zuweilen der Wahrheit verpflichtet fühlt. Einer Wahrheit, die sie nur weiß, aber eben nicht ahnt, noch weniger fühlt.
Trunken davon und vom potenzierten Abendmahlsnachtwein hernach noch vorberichtend Loblügen dem Kieler-Woche-Krusenkoppel-Festival "gewaltig leise" einbeschrieben.
Melancholie darauf im grauen Morgen, stehend, zitternd, rauchend auf dem Balkon. Blick nach Osten, nach G., zur keimenden Sonne.
oegyr - 13. Jun, 05:02
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