Sonntag, 9. Mai 2010

Sa, 8.5.10 (So, 9.5.10, 2:43): Lustlast

Tags im Elternhaus. Spargel, Kartoffeln, Schinken, Kaffee, Kuchen. Seltsam unzuhause dort, irgendwie Gast. Liegt aber daran, dass ich mich dort so rar mache.

Abends Premiere von DeichArt's "Szenen der Lust". Danach noch Premierenfeier, bei der ich mir deplaziert vorkomme, weil zu familiär eingemeindet als Kritiker.

Schreibe dann dies, berührt und doch ein wenig unlustig, dass ich's nicht durchweg hochleben lassen kann:

--- snip! ---

Die süße Last der Lust

DeichArt spürte im Theater im Werftpark den "Szenen der Lust" nach.

Kiel - Wie facht man die Lust an, wie macht man den oder die Liebste und nicht zuletzt sich selbst mit Worten willig? "Shall I compare you to a summer's day?", fragte schon Shakespeare, und mit diesem Sonett, sensibel vertont von Tom Keller, startet die Kieler Theatergruppe DeichArt in ihren Reigen durch die "Szenen der Lust".

Eine Suche nach dem enervierenden Gefühl, das in der Fantasie ungestümer brennt, als es in den Routinen der Liebe nur noch glimmt und oft genug zur Last wird, wenn auch zur süßen. Regisseurin Franziska Steiof hat diese Szenen in bewährter Art aus Improvisationen entwickelt, die sie zu Texten verdichtete, zuweilen derb, dann zärtlich, rabiat bis romantisch, mal sexy, dann wieder "sophisticated". Lust und Liebe sind mit Klischees überladen, die Steiof und ihr Spielertrio nicht meiden - um sie zu hinterfragen. So mimt Ritta Kristensen die Frau, die nicht nur "süßes Gebäck und Highheels geil machen", sondern auch die Fantasie, von einem "nicht stubenreinen" Mann "genommen zu werden", bis sie "zerfließt". Purer Sex, den wollen auch Frauen. Während sich das möchtegern-starke Geschlecht von solchen feuchten Träumen überfordert sieht. Nicht nur wenn der Sproß beider Lust im Nebenzimmer schlummert - oder vielleicht doch nicht? -, bleibt die Lust im Ehebett auf der anstrengenden Strecke. Dann schon lieber von einer schnellen Nummer mit einer Unbekannten träumen, die "alles mitmacht", von welcher Lust Tom Keller abseits allen Obszönen so zu erzählen weiß, dass im Theater im Werftpark kurz mal die Luft brennt. Oder sich wie Eirik Behrendt in die Rolle des Womanizers imaginieren, der sein "Wild" eiskalt über den Rand der coolen Sonnenbrille taxiert.

Lustvoll wird hier mit den Klischees gespielt, denn die Lust ist eben nicht so feinsinnig wie ein Shakespeare-Sonett. Meist überzeugend gibt sich das Trio ihr hin, gewinnt der Lust ihre lustigen, grotesken Seiten ab. Lediglich die beiden Männer beim Porno Schauen auf dem Sofa wirken allzu herrenwitzig - und zudem als bloße Verlängerung dessen, was sie an verstohlenen Blicken hinter männliche Lust- und Frust-Kulissen schon im DeichArt-Dauerbrenner "Schwitzende Männer im Schuhgeschäft" gewährt hatten. Ihr Schluss: Pornos sind langweilig - außer solche "mit Hausfrauen". Nicht, dass wir das nicht schon gewusst hätten.

Interessanter sind die Einsichten in die Last der Lust, nämlich dass sie ein Feuer ist, das immer wieder nach kreativen Streichhölzern verlangt. Und dass sie gerade in ihrer Ambivalenz zur Liebe zu Hochform aufläuft. Nach manchen Längen und Lusthängern stoßen die "Szenen der Lust" erst am Ende zum Kern des lustvollen Pudels vor, wenn das Trio in rasch wechselnden Rollen und Perspektiven aufzeigt, dass Lust wie Liebe ein Balanceakt zwischen Nähe und Distanz ist, zwischen Sehnsucht nach Geborgenheit einerseits und exzessiver Entgrenzung andererseits, wenn man "sich mehr nehmen darf als man geben kann".

Um solche Süße der lasterhaften Lust und der lustvollen Last wusste schon Shakespeare. Und so hat er nach dem ersten auch das letzte, Lust und Last versöhnende Wort.

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