Montag, 8. Februar 2010

Mo, 8.2.10 (Mo, 8.2.10, 23:13): verdichtung [] verdünnung

gefühlte gefechtsköpfe eilen geschmeidig über
eine hügel-
landschaft aus grün
unter blumentopftapeten.

etwas klingt wie musik, nicht
muzak, die musenwelpen stillende,
aufgewölbte brust
im flaum des bettes.

im sinkflug auf das im regenwald
verborgene flugfeld:
leuchttürme werfen ihre schatten an die
künstliche küste.

die kontrabässe sind in styropor-
schrot verpackt und recken sich
im schlaf
zu boden.

ein surrender gleichrichter
ist überspannt und lädt
ein seidentuch
elektrostatisch auf. zarte, bläuliche funken.

der suchstrahl eines wollfadens
beim aufrippeln eines strickstücks:
gamaschenmarsch durch die pompöse halle
einer billigenden absteige.

in edisons erster glühdirne
glomm ein verkohlter baumwollfaden
nur wenige
sekunden. licht ist arbeit.

zwischen den zähnen hat sich
silbenstein gebildet,
der mich versetzt,
indem er sich zersetzt.

was reimt sich auf rost?
wie rappt man ratlosigkeit?
wann küssen sich kissen,
und welcher tag ist kein tango?

bildschirme spannen ihr leinen-
tuch auf gegen den regen,
imprägniert vom zwitschern
geheimer morsezeichen.

cqd ... qed.
in der quetschkommode hecheln
engel die alten legenden:
süßlich duftende saurier.

(für lilly)

So, 7.2.10 (Mo, 8.2.10, 22:49): Sinken und Singen

Versinke immer wieder in polymorphen Rauschzuständen. Tastenterror. Erwachen daraus durch Lillys Gesang. Lilly hört Youtube und singt. Kennt fast alle Texte auswendig.

Gedanken über Rock'n'Roll. Lilly tanzt. Ich hoppele ein wenig mit.

Berauscht von ihrer Stimme und ihren Bewegungen.

Überlegungen, ob man das als Material für Text nehmen darf. Ist natürlich alles Material. Aber soll man es weiterverarbeiten, es als Rohstoff auffassen?

Oder einfach roh belassen?

Die Verarbeitung schafft Distanz und Deformation des Materials. Grunsätzliches Problem der beobachtenden Haltung, des "This is a recording".

Andererseits: Kunst entsteht durch solche Transformationsprozesse. Das funzt bei mir aber zur Zeit besser mit bildgebenden Verfahren. Text scheint mir in seiner Abstraktion zu konkret. Der Dichter singt nicht, er sinkt.

Lillys Soundtrack schafft Geborgenheit. In Geborgenheit werde ich häuslich, gemütlich, verkriechend. Text wäre Ausbruch in unbekanntes Land. Ich will aber nicht ausbrechen, ich bin nicht im Gefängnis. Ich bin zuhause.

Zuhause mit Lilly, die singt.

Unbestimmbares - und das ist gut so - Gefühl von Glück.

Versinke darin, nicht in Text.

Trunken.

Sa, 6.2.10 (Mo, 8.2.10, 0:22): Verschwindeln hinter

Lilly meint, ich solle weniger verschwinden, weniger nacheilen und vorgreifen. Lilly meint, ich solle einfach nur mal Text sein. Geht grad nicht, weil noch Material lungert. Eben dies zu Filmklang verdichtet, die Enjambements in Mind, das Tastentatzen.

Kunst.

Fernweh. Fern von mir.



Die chiffren wimmerten, ich ihnen nach:

--- snip! ---

Partikelforschung im Klanguniversum

Die chiffren-Konzerte am Sonnabend betrieben eine fröhliche Klangwissenschaft.

Dada lässt grüßen, und das schelmische Vergnügen ist groß, wenn vier Lautsprecher, zwei Megafon- und ein Fahrradspieler aus dem Kammerensemble Neue Musik Berlin auf die chiffren-Bühne in der Halle400 treten und Stefan Bartlings "MIT NAMEN & Randnotiz" (2002) inszenieren. Da wird ebenso fleißig wie buchstäblich an Marcel Duchamps und der Neuen Musik Rad gedreht, dass der Freilauf ungestüm klackert und sich megafonisch am vielstimmigen Chor des Namedroppings von bedeutenden Künstlern der Moderne bricht.

Man könnte Bartlings Komposition als Persiflage auf die Neutönerei der Postmoderne verstehen, allein, das Material, das er hier so krude durch den Klangkakao zieht, beweist - wie so oft bei den chiffren-Konzerten am Sonnabend - Eigensinn. Wenn Jean-Luc Hervé in "En découverte" (2003) das flirrende Wechselspiel zweier Violinen aufdeckt, fühlt man sich ebenso als Voyeur des Klangs wie der sanft bewegten Bilder von Schlafenden in U-Bahnen, die Natacha Nisic im Video dazu eingefangen hat. Hören wir die Traumharmonien dieser Schläfer oder den Soundtrack zu ihren unsichtbaren Filmen hinter geschlossenen Augen?

Die Stärke der zeitgenössichen Neuen Musik besteht darin, dass sie Fragen stellt statt solche formvollendet zu beantworten. Sie erforscht die Partikel im Klanguniversum und hat dabei sowohl das Mikro- als auch das Teleskop am sehenden Ohr. Daniël Ploegers "Untitled (voice, weapon, megaphon)" (2007) hat dazu den klingenden Krisenstaub an der Damarkationslinie zwischen Israel und Palästina zu einer Performance für Posaune und Kassettenrekorder zusammengekehrt, die archaisch wirkt, sowohl im verzerrten Rekorderklang wie dem der Posaune, die einst biblische Mauern zum Einsturz brachte.

Ein nicht minder eigentümliches "Tuba mirum" analysiert Luigi Nono in seinem "Post-Prae-Ludium per Donau" (1987). Die Tuba und ihr live-elektronisches Echo spielen sich dabei die obertönigen Bälle des Klangspektrums zu, geraten im fünffachen Forte in schrille Übersteuerung und im siebenfachen Piano in den Zwischenraum zur Stille. Die physikalische Gegebenheit, dass jeder einzelne Ton in seinem Ober- und Differenztonspektrum bereits alle anderen mikrotonalen Töne enthält, reist man nur weit genug in die Tiefen des Universum jeder Klangpartikel, entdeckte Gérard Grisey mittels der sonografischen Analyse. In seinen "Périodes" (aus: "Les espaces acoustiques", 1974) synthetisiert er unter weitgehendem Verzicht auf Rhythmus die Klänge von Posaune und Kontrabass mit Flöte, Klarinette, Violine, Viola und Cello. Das kann kein Synthesizer besser - eines der beindruckendsten Klangforschungsprotokolle des Abends. Ana Maria Rodriguez’ Komposition für Trompete, Perkussion und Live-Elektronik (2009) nach einem Gedicht von Ron Winkler wirkt dagegen geradezu "old-fashioned". Soll es auch, denn es kreist um den Sound von "Radiostationen der vergessenen Städte".

Löblich an chiffren ist auch, dass sie neben aktuellen Klangforschungsergebnissen auch solche aus der "Klassik" der Neuen Musik präsentieren. Für Karlheinz Stockhausens 1970 komponiertes "Mantra für zwei Pianisten" braucht man zwar einstündiges Sitzfleisch, aber das wird belohnt durch manches Bildungserlebnis. Geradezu mathematisch deklinieren Jennifer Hymer und Bernhard Fograscher (Klangregie: Sascha Lemke) Stockhausens serielles Variationsuniversum durch, das er aus dem Atom eines 13 Töne umfassenden Motivs entwarf. Grundlagenforschung, die gerade der neuen Avantgarde zugute kommt, wie das LandesJugendEnsemble Neue Musik Schleswig-Holstein gestern zum Abschluss und Ausblick der dritten chiffren-Biennale bewies. Die forschende Zerlegung des musikalischen Materials geht weiter und eröffnet damit immer tiefere Einblicke ins Klanguniversum, das vier Tage lang das Kieler Publikum faszinierte.

--- snap! ---

Derweil, während ich hinter Kunst und Wein verschwindel, schläft Lilly. Jetzt.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Mo, 5.7.10 (Di, 6.7.10,...
Dies Dingsallerdings hier, das di.gi.arium, hat sich...
oegyr - 6. Aug, 16:04
Dieser Blog ist umgezogen
Liebe Leserinnen und Leser, Das di.gi.arium 2010 ist...
oegyr - 21. Jul, 23:45
Di, 20.7.10 (Mi, 21.7.10,...
Weiter an der Wordpress-Installation. schwungkunst.de...
oegyr - 21. Jul, 23:32
Mo, 19.7.10 (Mi, 21.7.10,...
Bin irgendwie offline wegen der Provider-Umstellung...
oegyr - 21. Jul, 22:52
So, 18.7.10 (Mo, 19.7.10,...
Die Netznische, in die man postet - und die erweiterte,...
oegyr - 19. Jul, 08:54

Suche

 

Status

Online seit 6697 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Nov, 02:02

Credits


d.day - keine nacht für niemand
journaille
lyrik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren